Rundbrief Januar / Februar 2013

Inhalt

1. Visionär indischer Musik (1/2) - Ravi Shankar
2. Harmoniums für Einsteiger & Profis - Monoj Kumar Sardar
3. Rückblick 2012 - India Instruments
4. Schließung - Tropentheater Amsterdam
5. 75. Geburtstag - Shivkumar Sharma
6. Workshops - Sitar, Harmonium & Gesang
7. Indische Musik Online - Live jeden Mittwoch
8. Konzertkalender - Februar / März

 


1. Visionär indischer Musik (1/2) - Ravi Shankar
- Nachruf von Yogendra -


Ich bin in den 1970er Jahren im westdeutschen Zonenrandgebiet aufgewachsen. Meine erste Platte mit Sitarmusik als Teenager Anfang der 1980er Jahre, gefunden in einem kleinen Plattenladen in einem kleinen Provinznest, war das Doppelalbum "The Genius of Ravi Shankar". Meine erste Sitarlehrerin Darshan Kumari war eine Schülerin eines Schülers von Ravi Shankar. Sein Buch "My Music, My Life" war eine wichtige Inspiration auf meinem Weg. Mein Lehrer Ali Akbar Khan, Sohn von Allauddin Khan und Bruder von Annapurna, wäre ohne Ravi Shankar womöglich nie in die USA und nach Europa gekommen, hätte dort keine Schulen gegründet und ich hätte nie bei ihm gelernt. Auch wenn ich Ravi Shankar nie persönlich begegnet bin, verdanke ich ihm doch gewissermaßen mein heutiges Leben. Jetzt ist der legendäre Sitarist Ravi Shankar am 11.12.2012 im Alter von 92 Jahren nach einer Herzoperation in San Diego gestorben. Indiens Premierminister Manmohan Singh nannte ihn bei der Verkündung der Todesnachricht mit Recht einen nationalen Schatz und weltweiten Botschafter des indischen Kulturerbes.

VON VARANASI NACH PARIS

"Schlafen im Haus und zum Pipi hinaus" - diesen bengalischen Kinderreim kennt der kleine Bettnässer Robindro, genannt Robu, auswendig. Aber es hilft nichts. Auch in seiner neuen Heimat Paris erwacht er aus warmen Träumen immer wieder in einem nassen Bett. Im Winter 1930 / 31 ist es in der französischen Metropole bitterkalt, und zur Toilette muss man durch Frost und Schnee. Robu ist 10 und nach einer langen Reise mit seiner Mutter und seinen Brüdern - per Zug von seiner Heimatstadt Varanasi nach Mumbai, dann weiter per Schiff nach Triest und schließlich wieder per Zug nach Paris - frisch in Europa gelandet. Er ist das Nesthäkchen und hat seine Kindheit in materiell ärmlichen Verhältnissen aber liebevoll behütet von seiner Mutter verbracht. Der Vater hat die Familie schon vor Robus Geburt verlassen und lebt in England. Sein 20 Jahre älterer Bruder Uday hat dort schon einige Jahre Kunst studiert und schließlich eine Karriere als Tänzer gestartet. Die Sache mit Paris ist Udays Idee. Nach einem erfolgreichen Duettprogramm an der Seite der berühmten russischen Ballerina Anna Pavlova will er eine eigene indische Bühnenshow für das Publikum in Europa auf die Beine stellen. Und dazu braucht er alle irgendwie verfügbaren Familienmitglieder als Mitwirkende.

SHOWBUSINESS & ASKESE

Für Robu ist Paris wie ein Traum. Mit allen Sinnen nimmt er das Leben der pulsierenden Metropole in sich auf, lernt Französisch, tanzt und spielt verschiedene Instrumente in Udays Show, verkehrt mit der internationalen Künstlerbohäme und entdeckt die Reize des schönen Geschlechts. Wie im Zeitraffer wird er aus einer ärmlichen indischen Kindheit in das Leben eines jungen europäischen Dandys gewirbelt. Udays Konzept, ohne klassische Ausbildung aber mit viel Fantasie Elemente verschiedenster indischer Tanztraditionen zu einem effektvollen eigenen Stil zu verbinden, geht auf, die Show ist ein großer Erfolg, und 1932 - 1937 tourt Robu mit der Familientruppe durch Europa und die USA. Aber 1938 verschärfen sich die Spannungen in Europa, der zweite Weltkrieg steht bevor, und es sind keine weiteren Touren mehr möglich. Robu steht an einem Scheideweg. Er entsagt seinem Luxusleben und geht in das zentralindische Provinzkaff Maihar, um dort bei dem charismatischen Musikmeister Allauddin Khan die klassische nordindische Raga-Musik auf der Sitar zu studieren. Sieben Jahre lang taucht er in asketischer Abgeschiedenheit vollkommen ein in die Mysterien der indischen Klassik, erträgt Mücken, Bettwanzen, Eidechsen und Schlangen und unterzieht sich Allauddin Khans berüchtigt strenger Schulung. Die Verbindung wird so innig, dass er sogar Allauddin Khans Tochter Annapurna heiratet und Vater eines Sohnes wird. Als Robu Maihar 1944 mit seiner kleinen Familie verlässt, um in Mumbai eine Karriere als Musiker zu beginnen, tritt er unter einem neuen Namen auf und mit einer neuen Vision: Er will die Schätze der indischen Klassik der Welt zugänglich machen. Als Ravi Shankar wird Robindro Shaunkar Chowdhury mit seiner Vision der erste echte indische Weltstar.

KULTURVERMITTLER

Man muss wohl diese erstaunliche Vorgeschichte kennen, um Ravi Shankars einzigartiges Wesen und sein dadurch ermöglichtes Wirken richtig verstehen und würdigen zu können. Die frühe Vertrautheit mit westlicher Lebensweise und Weltsicht machte ihn zu einem erfolgreichen Brückenbauer zwischen den Kulturen, einem großartigen Vermittler, dem es gelang, im Westen einflussreiche Schlüsselfiguren für indische Musik zu begeistern, mit ihnen teils lebenslange Freundschaften zu schließen und mit ihrer Hilfe eine breite Öffentlichkeit zu erreichen. Dem wenig älteren Geigenvirtuosen Yehudi Menuhin z.B. begegnete Ravi Shankar schon in den 1930er Jahren als Teenager in Paris. Echte Freunde wurden die beiden aber erst als Erwachsene, als Menuhin 1952 auf einer Indienreise ein eigens für ihn arrangiertes Hauskonzert von Ravi Shankar hörte. 1966 / 67 spielten sie dann unter dem Titel "West Meets East" zusammen mehrere Konzerte und nahmen zwei Schallplatten auf, die große Resonanz beim klassisch westlich geprägten Publikum fanden. Erstmals wurde indische Musik, durch die quasi gleichberechtigte Arbeit des westlichen Geigen-Stars mit dem noch relativ unbekannten Inder, im Westen als ernstzunehmende klassische Tradition wahrgenommen. Östlich, bzw. indisch an der Zusammenarbeit war die gesamte Struktur der Musik - sie war das Werk von Ravi Shankar. Westlich dagegen war lediglich die Tatsache, dass die Musik nicht improvisiert wurde, sondern komplett festgelegt und ausnotiert war.

POP-IKONE

Dem behöteten Aufwachsen in der für Hindus heiligen Stadt Varanasi verdankt Ravi Shankar wohl seine tiefen Wurzeln in der traditionellen indischen Spiritualität. Diese Verwurzelung half ihm über viele Lebenskrisen hinweg, war ein ständiger Quell der Inspiration und machte ihn zu einer perfekten Projektionsfläche für die aufbrechende, suchende westliche Jugend in der zweiten Hälfte der 1960er Jahre. Einer dieser Sucher war George Harrison, als Lead-Gitarrist der Beatles seinerzeit ein weltbekannter Pop-Star. Die beiden trafen sich erstmals 1966 in London und hatten sofort einen guten Draht zueinander. Harrison sah in Ravi Shankar anfangs eine Art Guru, von dem er sowohl Sitar als auch die Mysterien indischer Spiritualität lernen konnte - und Shankar in Harrison einen talentierten jungen Mann mit guten Manieren und ernsthaftem Interesse an indischer Kultur. Das Lernen gestaltete sich wegen seiner vielen Verpflichtungen und der überall auftauchenden hysterischen Fans schwierig für Harrison, aber die Begeisterung für indische Klassik, die tiefe Identifikation mit indischer Spiritualität und die entstandene innige Freundschaft mit Ravi Shankar blieben bis zu seinem Tod 2001. Für Shankar wiederum wurde die Verbindung mit Harrison zum Türöffner in die Welt des Pop. Seine Auftritte bei den Festivals von Monterey und Woodstock, beim Concert for Bangladesh und auf Tour mit Harrison, seine erste Autobiografie "My Music, My Life" und sein autobiografisch gefärbter Dokumentarfilm "Raga" brachten ihn Anfang der 1970er Jahre auf den Höhepunkt seiner Popularität.

... Fortsetzung über Ravi Shankars Arbeit als Komponist und Raga-Meister, über sein Privatleben und sein Lebenswerk im Rundbrief März / April 2013.

Ravi Shankars Dokumentarfilm "Raga" ist für 24,90 Euro bei uns erhältlich - mehr dazu auf unserer Medienseite.
Ravi Shankars Buch "My Music, My Life" ist für 21,90 Euro bei uns erhältlich - mehr dazu auf unserer Bücherseite.




2. Harmoniums für Einsteiger - Monoj Kumar Sardar
- Neu im Sortiment -


Wir haben unsere Auswahl an Harmoniums um zwei neue Modelle erweitert! Das Scale Changer von Monoj Kumar Sardar ist eine günstigere Alternative zu unserem Top-Modell, dem Scale Changer von Paloma. Und unser neues Monoj Kumar Sardar Standard ist ein besonders preiswertes Harmonium für Einsteiger.

Das Harmonium Scale Changer Foldable T 45-5 von Monoj Kumar Sardar ist ideal für versierte Musiker, die ein qualitativ besonders hochwertiges Instrument mit allen Extras und größter Variabilität für verschiedenste Einsatzbereiche suchen. Die gesamte Tastatur von drei Oktaven kann man verschieben (scale-changer) und so den Grundton in Halbtonschritten von 'gis' bis 'e' frei wählen - dadurch ist es ein Kinderspiel, ein Stück bei Bedarf beliebig höher oder tiefer zu spielen (transponieren)! Jeder Ton ist mit drei Zungen (T = Triple-Zungen) in hoher, mittlerer und tiefer Oktave (Female / Male / Bass) ausgestattet. Die drei Zungen kann man getrennt oder in Kombination anspielen, so dass sich ganz unterschiedliche Klangmöglichkeiten ergeben. Die eingebaute Oktavkopplung (engl. coupler) erlaubt es, automatisch die tiefere Oktave mit zu aktivieren. Dadurch können mit einer Taste bis zu sechs Zungen gleichzeitig angespielt werden - das gibt einen besonders kräftigen, vollen, reichen und tragenden Klang. Je mehr Zungen angespielt werden, desto mehr Luft muss allerdings auch laufend nachgepumpt werden. Der Balg wird seitlich geöffnet und muss beim Spielen aktiv in beide Richtungen hin und her bewegt werden. Die Luftzufuhr kann damit sehr differenziert gestaltet werden. Das Instrument lässt sich in einen integrierten Holzkoffer versenken. So lässt es sich sowohl platzsparend aufbewahren als auch sicher einhändig tragen. Eine Schutzhülle mit Reißverschluss ist im Preis inbegriffen.

990, - Euro (zzgl. 6,90 Euro Versand innerhalb Deutschland / 19,90 innerhalb Europas)
Fotos und weitere Infos.

Das Standard-Harmonium D 37/3 von Monoj Kumar Sardar ist ein besonders preiswertes und robustes Einsteigerinstrument. Mit einfacher Qualität und ohne unnötige Extras gibt es einen schönen, tragenden Klang. Mit seinen 37 Tasten hat das Monoj Kumar Sardar Standard einen Tonumfang von drei Oktaven. Jeder Ton ist mit zwei Zungen (D = Doppelzungen) in mittlerer und tiefer Oktave ausgestattet, die getrennt oder gemeinsam angespielt werden können. Dadurch lässt sich zwischen vollerem und zarterem Klang wechseln. Der seitlich geöffnete Balg wird beim Spielen aktiv in beide Richtungen hin und her bewegt. Die Luftzufuhr kann damit sehr differenziert gestaltet werden. Eingebaut sind drei Bordunhebel unter der Abdeckplatte. Beliebige andere Bordunklänge lassen sich einstellen, indem man halbe Wäscheklammern direkt auf die gewünschten Tasten klemmt oder unter der Abdeckplatte die Metallfedern von den Stabtasten herunter nimmt.

390,- Euro (zzgl. 6,90 Euro Versand innerhalb Deutschland / 19,90 innerhalb Europas)
Fotos und weitere Infos.


3. Rückblick 2012 - India Instruments
- Firmen Info -


India Instruments blickt auf ein erfolgreiches Jahr 2012 zurück. Wir konnten unser Sortiment wieder um einige interessante Neuheiten bereichern. Im Hintergrund gingen die Arbeiten zum Neustart unserer veralteten englischen Website voran, so dass wir sie voraussichtlich in diesem Jahr online stellen können. Unser Umsatz ist stetig weiter gewachsen - ein herzliches Dankeschön dafür an alle Kunden und Freunde, die das mit Einkäufen ermöglicht oder unsere Arbeit mit Empfehlungen, Rückmeldungen, Infos und ehrenamtlicher Hilfe unterstützt haben! Allerdings war das gewachsene Arbeitsaufkommen irgendwann mit der vorhandenen Arbeitskraft kaum noch zu bewältigen. Glücklicherweise konnten wir unser Team aber in der zweiten Jahreshälfte um zwei wunderbare freie Mitarbeiter erweitern. Wer sie sind und was sie bei uns tun, wollen wir im nächsten Rundbrief näher vorstellen. Für 2013 hoffen wir weiterhin auf Ihre / eure Unterstützung und wünschen Ihnen / euch Freude, Glück und Gesundheit!

 


4. Schließung - Tropentheater Amsterdam
Hintergrundreportage von Ludwig Pesch -


Tropentheater - Nachruf und Aufruf, von Ludwig Pesch (Amsterdam)

Am 1. Januar 2013 endete mit der Schließung des Tropentheaters Amsterdam ein wichtiges Kapitel der weltweiten Kulturbeziehungen Europas. Die Schließung kam ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, an dem das Tropentheater auf stetig steigendes Besucherinteresse verweisen konnte und sogar Pläne für eine eigene Zeitschrift mit Schwerpunkt Weltmusik hatte. Mehr als drei Jahrzehnte bot es qualitativ hochwertige Programme aus allen Kulturkreisen an. Experimentierfreudige und sozial engagierte KünstlerInnen ohne Unterstützung der eigenen Behörden konnten hier ihr Beziehungsnetz ausbauen. Für alle, die diese wichtigen Entwicklungen miterleben haben, bleibt Entschluss des Kabinetts, alle Subventionen für das Tropentheater zu streichen, daher unverständlich. Doch unter dem Druck inzwischen abgewählter Populisten, die Entwicklungshilfe prinzipiell ablehnen, musste das Königliche Tropeninstitut offenbar ein weithin sichtbares wie schmerzliches "Opfer" bringen. Der Verlust des Tropentheaters war dabei eher vertretbar, als die Schließung des Tropenmuseums und derjenigen Abteilungen, die arme Länder in den Tropen mit wissenschaftlicher Expertise versorgen. Dieser Beschluss wurde angesichts der Wirtschaftskrise auch nach den Neuwahlen von 2012 unwiderruflich. Das niederländische Kulturleben muss damit den Verlust mehrerer europaweit als vorbildlich geltender Initiativen, Musik- und Theater-Ensembles verkraften. Und Liebhaber der Musik- und Tanztraditionen Indiens werden wohl lange nicht mehr eine ähnlich vielfältige wie hochkarätige Reihe von Live-Programmen erleben können.

Das Tropentheater wurde 1975 als "Kellertheater" (Soeterijn) am Tropenmuseum für außereuropäische Musik- und Tanzdarbietungen gegründet. Es wurde schnell zur Anlaufstelle für Experten aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen. Auch lieferte sein Filmprogramm wichtige Impulse, die vor der Verbreitung über DVDs und das Internet von besonderer Bedeutung waren. Manch ein Auftritt erwies sich als Beginn einer internationalen Weltmusik-Karriere. Dies war auch der engen Zusammenarbeit mit engagierten Partnereinrichtungen in Den Haag, Utrecht Groningen und Antwerpen zu verdanken. Von der Arbeit des Tropentheaters profitierten zudem europäische Partnerorganisationen und Kultureinrichtungen, die aus finanziellen Gründen keine eigenen Gastspiele produzieren konnten. Erschwerte bürokratische Hörden wie Schengen-Visum und Arbeitserlaubnis hindern v.a. kleine Einrichtungen daran, selbst noch KünstlerInnen aus anderen Kulturkreisen einzuladen.

Das indische Musikleben der Niederlande verdankt seine Blüte einer Initiative zweier Schlüsselfiguren, deren Stiftung India Muziek seit 1973 hunderte erfolgreicher Konzerte organisierte. Der Musikologe Felix van Lamsweerde (*1934) sorgte in seiner Position als Musikkurator im Tropenmuseum mit Sachverstand und Charme sowie Kontakten in Indien und Europa für die nötige fachliche Fundierung und Vernetzung. Er hatte schon 1957 einen Auftritt von Ravi Shankar im Concertgebouw Amsterdam organisiert und später in Indien Sitarunterricht von Vilyat Khan und Imrat Khan erhalten und in London Musikethnologie studiert. Ihm sind Live-Aufnahmen, Einführungen, Begleittexte, Rundfunksendungen und Workshops im Tropenmuseum zu verdanken. Der musikalische Laie John Eijlers (2004 verstorben) war die treibende Kraft der laufenden organisatorischen Arbeit. Mit einer Mischung aus eigener Intuition und Offenheit für die Meinung von Fachleuten gelang es ihm, die richtigen Künstler zu finden und öffentlichkeitswirksam zu präsentieren. Bis 1988 fanden über 160 Veranstaltungen der Stiftung India Muziek vorwiegend in der Mozes en Aaron-Kirche statt. Die Programmübersicht der ersten Jahre liest sich wie ein "Who Is Who" indischer Künstlerinnen. 1989 wurde die Reihe in das Programm des Tropentheaters integriert und somit "professionalisiert".

Dieser Konsolidierungsprozess fiel jedoch mit eskalierenden Honorarerwartungen bekannter KünstlerInnen zusammen; eine Entwicklung, die darauf zurückzuführen ist, dass sich ein wohlhabendes indisches Publikum in Migrationsländern wie den USA, Singapore und Australien intensiver mit ihren kulturellen Wurzeln zu beschäftigten begann. Für den neuerdings mit den indischen Künsten verbundenen gesellschaftlichen Status ist die indische Diaspora (PIO, Persons of Indian Origin) auch bereit, entsprechende Honorare, Unterrichtsgebühren und Mitgliedsbeiträge zu bezahlen. Veranstalter, die sich vorwiegend an ein westliches Publikum richten, können dabei weder finanziell mithalten noch vergleichbare Besucherzahlen garantieren. Der Wandel von Hörgewohnheiten (YouTube) und kulturellen Interessen hat sich zudem derartig verändert, dass auch große Namen in Europa keineswegs mehr volle Säle bedeuten. In den Niederlanden, wo eine große surinamisch-hindustanische Bevölkerungsgruppe lebt, verlagert sich das Publikumsinteresse allmählich von Live-Konzerten auf klassischen Tanz mit Playbackmusik und große Bollywood-Veranstaltungen.

Für Handelsnationen wie die Niederlande und die BRD ist ein kultureller Dialog auf Augenhöhe jedoch kein reiner Luxus. Mitunter wird die Ansicht vertreten, dass die Globalisierung und neuer Wohlstand in "Schwellenländern" wie Indien eine gesonderte Programmierung überflüssig gemacht habe. Angesichts vorherrschender Klischees, Berührungsängste und Vorurteile sind hier Zweifel angebracht. Neue Ansätze sind genauso nötig wie das kritische Hinterfragen bisheriger Errungenschaften. Dabei gilt zu bedenken, dass heutzutage ein reges, weltoffenes Kulturleben weder im Alleingang noch nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten realisierbar ist. Wenn Not erfinderisch macht, ist nicht auszuschließen, dass das Engagement für "andere" Kulturen wiederbelebt wird. Die Finanzkrise hat die Bereitschaft zur Zusammenarbeit allgemein erhöht. Gerade dort, wo kulturelle Vielfalt bedroht ist, lohnt es sich, den 2012 von den Vereinigten Nationen gewürdigten Wert kooperativen Handelns wörtlich zu nehmen und dabei von einander zu lernen.


5. 75. Geburtstag - Shivkumar Sharma
- Glückwunsch von Yogendra -


Mit seiner markanten, inzwischen weiß-grauen Afro-Frisur und seiner geschliffenen Eloquenz ist der Santurmeister Shivkumar Sharma heute einer der größten Popstars der indischen Klassik, gefeierter Virtuose und so etwas wie ihr Elder Statesman zugleich. Seine Raga-Performances bieten dem Kenner zwar kaum mehr Neues, bewegen sich aber nach wie vor auf höchstem künstlerischem Niveau und machen ihn zum gefragten Zuschauermagneten großer Festivals. Seine philosophierenden Statements in Interviews, Dokumentationen und Buchvorwörtern vermitteln einen Grad an Reflektiertheit, den man bei indischen Musikern nicht oft findet. Und Dank seines für indische Verhältnisse etwas exzentrischen aber stets auch eleganten Looks ist er ein dankbares Bildmotiv für Presse und Fernsehen. Sein Weg auf den Olymp der indischen Musik war allerdings bemerkenswert mühsam und ungewöhnlich.

Shivkumar Sharma wurde 1938 in Jammu als Sohn des klassischen Sängers Uma Dutt Sharma geboren und lernte von frühester Kindheit an von seinem Vater Gesang und Tabla. Von der Santur hatte zu dieser Zeit jenseits des Kaschmir-Tals in Indien niemand gehört; das Instrument war lokale Folklore. So staunte Shivkumar zunächst nicht schlecht, als sein Vater ihm nach reiflicher Überlegung nahelegte, die Santur zu seinem Hauptinstrument zu machen. Für die Interpretation klassischer Ragamusik erschien die Santur denkbar ungeeignet, denn sie kann eigentlich weder einen anhaltenden Ton produzieren noch gleitende Übergänge und mikrotonale Färbungen zwischen den Tönen. Dank neu entwickelter Spieltechniken gelang es Shivkumar aber, diese strukturellen Mängel zu überspielen: mit feinen Wirbeln der Schlägel verwischte er die einzelnen Anschläge und schuf den Eindruck anhaltender Töne und durch anschlagloses Gleitenlassen der Schlägel über die Saiten schuf er eine Suggestion fließender Tonübergänge. Durch Reduzierung der Saiten pro Ton von vier auf drei sorgte er für mehr Klarheit im Klang und durch Vergrößerung des Tonumfangs für erweiterte Ausdrucksmöglichkeiten. Mit rhythmischen Raffinessen und perlenden Klangkaskaden rückte er zudem geschickt die Stärken der Santur in den Vordergrund. Ab seinem ersten Konzert in Mumbai 1955 überwand er damit in jahrelanger Arbeit allmählich die Vorbehalte konservativer Kritiker.

Den Durchbruch schaffte Shivkumar Sharma 1967 mit "Call of the Valley", einer Gemeinschaftsproduktion mit Bansurispieler Hariprasad Chaurasia und Gitarrist Brij Bhushan Kabra und bis heute eine der erfolgreichsten Platten in der Geschichte der indischen Klassik. Hilfreich war anschließend möglicherweise auch die Zusammenarbeit mit Ravi Shankar, der ihn 1968, 1973 und 1974 auf Touren in die USA und nach Europa mitnahm und ihm dadurch zusätzliches internationales Renommee verschaffte. Eine Art Parallelkarriere erlebte Shivkumar Sharma schließlich in den 1980er Jahren im Duett mit Hariprasad Chaurasia unter dem Namen Shiv-Hari als Komponist für die indische Filmindustrie. Angefangen mit "Silsila" im Jahr 1981 schufen die beiden die Musik für mehrere Blockbuster des legendären Regisseurs und Produzenten Yash Chopra und wurden so auch einem Massenpublikum bekannt. 1993 beendete das Duo allerdings mit "Darr" die Arbeit für Bollywood, um sich wieder ganz auf die klassische Raga-Tradition zu konzentrieren. Deren spirituelle Tiefe bedeutete Shivkumar letztlich mehr als Geld und Glamour.

In seiner langen Karriere hat Shivkumar Sharma weit über 100 Platten veröffentlicht. Für sein Werk erhielt er 1986 den Sangeet Natak Akademi Award, 1991 den Padma Shri und 2001 den Padma Vibhushan, den zweithöchsten zivilen indischen Staatsorden. Einem seiner drei Söhne, Rahul, verhalf er ebenfalls zu einer erfolgreichen Laufbahn als Santurvirtuose. Seine Mission, die Santur als klassisches Soloinstrument zu etablieren, darf man als erfüllt betrachten. Am 13. Januar wurde Shivkumar 75. Happy Birthday, Shivji!

CDs von Shivkumar Sharma.
Fotos und Infos zu unseren Santurs.


6. Workshops - Sitar, Harmonium & Gesang
- Szene-Info -


In der ersten Jahreshälfte gibt es eine besondere Häufung interessanter Workshops für Anfänger, Fortgeschrittene und Profis - die möchten wir gerne empfehlen! Nähere Infos zu allen Angeboten auf unserer Workshopseite. Hier eine kurze Übersicht:

8.2. - 10.2. OBERLAHR (Westerwald): Harmonium Lernseminar mit Govinda Roth
15.2. - 17.2. AACHEN: Sitar - Schritt für Schritt... mit Yogendra
1.3. - 3.3. BAD MEINBERG (bei Detmold): Harmonium Lernseminar mit Darshini Devi
15.3. - 17.3. HEMMOOR (zwischen Hamburg und Cuxhaven): Sitar - Schritt für Schritt... mit Yogendra
22.3. - 24.3. SAARBRܜCKEN: Raga & Tala Intensiv mit Yogendra
14.4. - 19.4. WANGERLAND (Nordsee): Harmonium Intensiv mit Uli Schuchart
19.4. - 21.4. ESSLINGEN (bei Stuttgart): Sitar - Schritt für Schritt... mit Yogendra
3.5. - 5.5. BAD MEINBERG (bei Detmold): Harmonium Aufbauseminar mit Darshini Devi
14.5. - 18.5. BERLIN: Meisterkurs Sitar mit Partha Chatterjee
17.5. - 19.5. WANGERLAND (Nordsee): Harmonium Lernseminar mit Gauranga Heinzmann
20.5. - 24.5. OBERLAHR (Westerwald): Harmonium Lernseminar mit Govinda Roth
20.5. - 26.5. BASSANO (Italien): Dhrupad Intensiv mit den Gundecha Brothers
31.5. - 2.6. BAD MEINBERG (bei Detmold): Harmonium Aufbauseminar mit Jürgen Wade
19.7. - 21.7. RAMSTHAL (zwischen Fulda und Würzburg): Sitar - Schritt für Schritt... mit Yogendra

 


7. Indische Musik Online - Live jeden Mittwoch
- Szene-Info -


In den unendichen Weiten des Internet gibt es auch unermessliche Schätze indischer Musik. Aber wer weiß sie zu finden? Wer überblickt sie? Und wer kann die Spreu vom Weizen trennen? All zu schnell verliert man sich - oder die Lust am Hören - in der unübersichtlichen Vielfalt. Abhilfe schaffen da strukturierte, hörergerecht aufbereitete Präsentationsformen. Eine davon gibt es jetzt mit einer wöchentlichen einständigen Sendung mit klassischer indischer Musik von Wolverhampton City Radio - die man problemlos auch live im Internet hören kann! Die Sendung heißt "Surtarang with Mr & Mrs Sarcar" und läuft regelmäßig ab 20:00 mitteleuropäischer Zeit (19:00 britischer Zeit). Die Stunde wird meist mit mehreren kurzen Stücken gefällt. Dabei versuchen die Macher, neben den etablierten Meistern auch sogfältig ausgewählte neue Talente vorzustellen. So gibt es sicher spannende Entdeckungen zu machen...

Hier der Link zur Website - dort einfach oben rechts auf "Listen Live Online" gehen.

 


8. Konzertkalender - Februar / März
- Szene-Info -


Der Winter ist Hochsaison für Konzerte in Indien - viele indische Musiker sind jetzt dort unterwegs, so dass für die nächsten Monate nur relativ wenige Termine auf unserem Konzertkalender stehen. Dabei gibt es aber auch einen einzigartigen Höhepunkt: das Dhrupad-Festival in Utrecht am 2. und 3. März - nicht verpassen! Ausführlichere Infos und weitere Termine wie immer in unserem Konzertkalender.

26.01. FRANKFURT: BHAMA KALAPAM - TANZDRAMA mit Vasant Kiran, Bharathi Avireddy & Shoira
26.01. TÜBINGEN: GEORG LAWALL - Sitar, Sitarval, Obertongesang, Gongs & Percussion
27.01. DETTENHEIM: GEORG LAWALL - Sitar, Sitarval, Obertongesang, Gongs & Percussion
02.02. NL - UTRECHT: Marianne Svasek & Céline Wadier - vocal / Bahauddin Dagar - rudra veena
03.02. NL - UTRECHT: Pushparaj Koshti - surbahar / Zia Fariduddin Dagar & Nirmalya Dey - vocal
22.02. PADERBORN: DEODATT PERSAUD - Kathak-Tanz / YOGENDRA - Sitar
02.03. WÜRZBURG: INDIGO MASALA - Acoustic Asian World Fusion

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