Rundbrief Mai / Juni 2012

Inhalt

1. Hindustani Gata-s Compilation - Buch mit Instrumentalkompositionen
2. Raga-CD von Yogendra - Neu-Edition
3. Die jungen Meister (2/8) - Kaushiki Desikan, Gesang
4. Konzertleben in Kalkutta (2/5) - Bhawanipur Sangeet Sammilani
5. Eingeschränkter Betrieb - Juni / Juli
6. Konzertkalender - Juni / Juli
7. Indische Klassik (3/7) - Nord und Süd

 


1. Hindustani Gata-s Compilation - Buch mit Instrumentalkompositionen
- Rezension von Yogendra -


Gats (oder Gata-s) sind in der klassischen nordindischen Musik kurze Kompositionen für gezupfte Saiteninstrumente wie Sitar oder Sarod, die als thematische Ausgangsbasis für weiterführende Improvisationen in einem Raga und Tala dienen. Da Gats eines der wenigen relativ festgelegten Elemente der Hindustani-Musik sind (abgesehen natürlich von der Klanggestalt der Ragas selbst), bilden sie ein wichtiges Grundgerüst für das theoretische und praktische Studium. Im Idealfall geben sie ein melodisch und rhythmisch ausgefeiltes Kurzportrait eines Ragas, das dessen wesentliche Züge in künstlerisch überzeugender Form beinhaltet.

Mit seinem Anfang 2012 erschienenen Buch "Hindustani Gata-s Compilation - Instrumental Themes in Indian Classical Music" legt der französische Musikologe und Sitarist Patrick Moutal eine beeindruckende Sammlung von Gats vor. Auf über 250 Seiten präsentiert er Notationen von 454 Gats in 164 Ragas und 15 Talas, die er während seiner Studienjahre in Varanasi etwa von 1970 bis 1983 gesammelt hat. Darunter finden sich natürlich nicht nur die etwa 70 bis 80 allgemein bekannten Ragas, sondern auch viele unbekanntere Exoten. Ebenso schillernd und vielschichtig wie die vorgestellten Gats sind die Quellen, aus denen sie stammen. Die meisten Gats kommen von Lal Mani Misra und K. C. Gangrade, Patrick Moutals Lehrern in Varanasi, und repräsentieren damit musikalische Traditionslinien, die außerhalb Indiens relativ wenig bekannt sind. Mit einzelnen Gats vertreten sind aber auch international bekannte Virtuosen wie Allauddin Khan, Nikhil Banerjee, Ravi Shankar, Vilayat Khan, Rais Khan, Imrat Khan, Buddhaditya Mukherjee und Balaram Pathak. Ebenso dabei sind V. N. Bhatkhande und etliche bekannte Sänger aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Und nicht zuletzt hat Patrick Moutal auch selbst mit etlichen Eigenkompositionen beigetragen. Tradiert wurden die Gats entweder in persönlichem Unterricht, durch Übernahme aus schriftlichen Publikationen oder durch Transkriptionen veröffentlichter Aufnahmen.

Notiert sind die Gats im von V. N. Bhatkhande entwickelten Svaralipi-System, einer Buchstabennotation mit den Zeichen des Devanagari-Alphabets (die u.a. für Sanskrit und das moderne Hindi verwendet werden), die im Buch natürlich auch ausführlich erklärt wird. In der Wahl dieses Notationssystems liegt aber leider eine doppelte Schwäche des Werkes: Zum einen erschweren die fremden Zeichen dem westlichen Leser ganz erheblich und völlig unnötigerweise den Zugang zum Notenbild. Und zum anderen erlaubt die starre Form des Systems auch nur eine starre, relativ oberflächliche Darstellung der Musik. Ornamente und Artikulationsvorschriften, die den Klang eines Ragas entscheidend prägen, fehlen weitgehend. Auch rhythmische Feinheiten, die über eine gleichmäßige Unterteilung einer Zeiteinheit hinausgehen, kommen nicht vor.

Damit bezieht Patrick Moutal eine sehr traditionalistische Position, die Notationen grundsätzlich nur als Erinnerungsstützen und skelettartige Darstellungen verwendet wissen will. Musikalisch mit Leben erfüllt werden könne eine Notation demnach nur, wenn der Interpret das Gat schon als Klanggestalt vom Lehrer (oder zur Not auch von einer Aufnahme) gehört habe oder zumindest den zugrunde liegenden Raga in allen Feinheiten beherrsche. Diese Auffassung verzichtet aus heute eigentlich überholt scheinenden ideologischen Gründen bewusst auf eine nuanciertere Darstellung der Musik und verkennt damit die vielfältigen weiterführenden Möglichkeiten detaillierterer Notationen wie sie z.B. in Joep Bors "The Raga Guide" oder in George Ruckerts "The Classical Music of North India" verwendet werden.

An wen richtet sich das Buch wohl konkret? Für Anfänger in indischer Musik ist es sicher nicht geeignet, setzt es doch wie gesagt schon eine gute Kenntnis der jeweiligen Ragas voraus. Wer Hindi beherrscht wird wohl eher auf die umfangreichen indischen Publikationen zurückgreifen. Und wer längere detailliert ausnotierte Stücke zum vertiefenden Studium der Aufführungspraxis sucht wird eher bei George Ruckert fündig. Hoch interessant ist diese Gat-Sammlung aber sicher für alle, die eine breite Palette an Ragas und Talas ebenso beherrschen wie die Prinzipien der improvisatorischen Raga-Entfaltung und die auf der Suche nach neuen Gats zur Erweiterung und Differenzierung ihres Repertoires sind - wenn sie sich vom Devanagari und der sehr uneinheitlichen Quellenlage nicht abschrecken lassen. Für diese wohl eher kleine Zielgruppe mag das Buch zu einer echten Schatzgrube werden.

Hindustani Gata-s Compilation ist ab sofort für 28,- Euro (zzgl. 1,95 Euro Versand) bei India Instruments erhältlich.

 


2. Raga CD von Yogendra - Neue Edition
- Neu im Sortiment -


"Peace, Love & Joy - Three Ragas for Sitar & Tabla" heißt die im Mai erschienene Neu-Edition von Yogendras klassisch indischer Raga-CD zusammen mit Tablaspieler Ashis Paul. Drei traditionelle indische Abendmelodien lassen mit Sitar und Tabla die Magie und tiefe Spiritualität Indiens lebendig werden. Ideal für Entspannung, Meditation, Yoga, Ayurveda und Tantra - aber auch für künstlerisch anspruchsvollen Hörgenuss! Peace: der meditativ-würdevolle Raga Bageshri. Love: der romantische Raga Kirwani. Joy: der unschuldig-leichte Raga Bhoopali. Die Platte war 2011 erstmals in Kleinauflage veröffentlicht worden. Jetzt ist sie in attraktivem neuen Design über den Vertrieb Silenzio im Handel und auf den einschlägigen Download-Plattformen erhältlich - und natürlich zu einem besonders günstigen Preis auch bei India Instruments!

"Dieses Duo bringt die Schönheit der Tradition in eine Form, die auch für ungeschulte Ohren zugänglich und verständlich ist. Die drei Ragas sind schillernd und melodiös und zeigen zwei Musiker, die ansteckende Freude am Zusammenspiel haben. Ein vielschichtiges Album, das deinen Horizont erhellen kann." - Eelco Schilder, www.folkworld.eu.
"Die Musik hat mir heute den ersten warmen Frühlingsabend versößt... Ich habe lange nicht so Schönes gehört." - Shyamala, Yogalehrerin.
"Ich mag die durchgehende friedvolle Stimmung und wie sich das Friedvolle ausbreitet." - Dakini, Amma-Devotee.
"Diese Ragas erwecken in mir spürbar die Gefühlszustände für die sie erschaffen wurden. Wunderbar!" - Atma Singh, Kundalini Yoga Lehrer.
"Es gibt sicher wenige Nichtinder, die die Sitar und die indische Musik so seriös studiert haben und beherrschen wie Yogendra." - Georg Lawall, Komponist und Gitarrist.

Sitarist Yogendra stammt aus Deutschland und studierte die Geheimnisse der indischen Raga-Musik jahrzehntelang bei bedeutenden Meistern wie Ali Akbar Khan und Partha Chatterjee. Tablabegleiter Ashis Paul kommt aus Kalkutta, ist Meisterschüler von Anindo Chatterjee, und gilt als einer der einfühlsamsten und musikalischsten Tablavirtuosen seiner Generation.

Peace, Love & Joy ist ab sofort für 15,- Euro (zzgl. 1,95 Euro Versand) bei India Instruments erhältlich.
Weitere klassisch-indische CDs

 


3. Die jungen Meister (2/8) - Kaushiki Desikan, Gesang
- Reportage von Arunabha Deb -


In der Erstausgabe der neuen indischen Musik-, Tanz- und Theaterzeitschrift Avantika schrieb der Musikjournalist Arunabha Deb im Januar 2012 über die neue Generation großartiger klassisch indischer Musiker im Alter zwischen 30 und 40. Wir bringen seinen Artikel mit einer Einführung und sieben Musikerportraits als Fortsetzungsreihe in acht Teilen.

Kaushiki Desikan, 31, Kalkutta, Sängerin der Patiala Gharana

Kaushiki war als völlige Traditionalistin gestartet. Sie erstörmte die Welt der Musik 1997, im Alter von 17, mit ihrem Debút-Konzert im India Habitat Centre in Delhi. Ihre Interpretation von Kedar (die später von Music Today veröffentlicht wurde) brachte alle Kritiker zum Schweigen, die ihren Erfolg boshafterweise auf ihre Herkunft zurückgeführt hatten. Als Tochter und Schülerin von Pandit Ajoy Chakraborty hat Kaushiki das Gewicht ihres Erbes immer mit Klarheit und Leichtigkeit getragen. "Ich bin nicht so dumm zu glauben, dass andere Mädchen in meinem Alter nicht auch das gleiche hätten erreichen können wie ich, wenn sie die gleichen Chancen bekommen hätten", sagt sie. Aber sie fügt schnell hinzu, dass sie ihre Chancen eben zu nutzen wusste: "Ein Veranstalter mag ein- oder sogar zweimal zu mir kommen weil ich die Tochter meines Vaters bin, aber er würde kein drittes Mal kommen, wenn er mich nicht wirklich in seinem Festival auftreten lassen wollte."

Mit 31 ist sie zweifellos die führende Sängerin ihrer Generation. Heute wäre es lächerlich zu behaupten, dass sie diesen Rang bloß kraft der Größe ihres Vaters in der Musikwelt innehabe. Sie hat ihre eigenen Entscheidungen getroffen - von der Gestaltung ihres Gesangsstils bis zur Zielrichtung ihrer Karriere. Zu Beginn ihrer Laufbahn wurde sie heftig kritisiert für eine Überbetonung technischer Meisterschaft in ihren Konzerten, vor allem in ihren auf Sargam-Silben aufbauenden Tanas, aber sie hielt an dem fest woran sie glaubte. "Ich bin keine 40-jährige, die im Körper einer 20-jährigen gefangen ist", sagte sie der Autorin vor drei Jahren. "Als junges Mädchen mag ich es, meine Sargams zu singen und meinen Konzerten einen gewissen Höhepunkt zu geben." Und was anfangs ein Kritikpunkt war, wurde schließlich zu einem gefeierten Markenzeichen ihres Gesangs. Miesepeter halten diesen Punkt immer noch für ein Indiz ihrer Unreife, aber ihre Antwort auf solche Kritik ist wie immer ausgewogen. "Ich weiß, dass ich es manchmal übertreibe mit meinen technischen Kabinettstückchen. Ich arbeite daran. Aber es ist auch lächerlich zu behaupten, dass technische Raffinessen gleichbedeutend mit Unreife seien. Dann war also der Gesang von Ustad Bade Ghulam Ali Khan unreif?"

In ihrer beruflichen Orientierung hatte sie es bei Experimenten mit anderen Formen weniger eilig als viele andere ihrer Generation. "Ich wollte erst sicherstellen, dass meine Identität als klassische Sängerin fest in den Köpfen des Publikums eingegraben ist. Mir war bewusst, dass ich diese Identität durch zu frühe Experimente mit anderen Formen verwässern würde", sagt sie. Sich auf ein nicht-klassisches Projekt einzulassen, hängt für sie immer von einem Faktor ab: "Ich frage mich, ob ich meine Präsenz in dem Projekt rechtfertigen kann?" In letzter Zeit hat ihre innere Stimme diese Frage recht häufig positiv beantwortet: Sie hat in zwei Bengali-Filmen gesungen (Chaplin und Jani Dekha Hobe), und in einem weiteren, Chitrangada, spielt sie u.a. sich selbst (ein ziemlich cleverer Trick von Bengalens angesagtem Regisseur Rituparno Ghosh, um sie endlich auf die Leinwand zu kriegen; er hatte sie schon seit Jahren dazu gedrängt).

In Sicht sind auch unabhängige Alben: eines in Zusammenarbeit mit Tagore-Lieder-Sänger Sraboni Sen und eines als Gemeinschaftsprojekt mit Purbayan Chatterjee und Sonu Nigam. Aber diese neuen Unternehmungen haben ihren früheren Fahrplan nicht im geringsten behindert: sie ist beschäftigt wie eh und je mit ihren klassischen Konzerten. In dieser Saison hat sie fast jede Woche einen Auftritt in Maharashtra.


4. Konzertleben in Kalkutta (2/5) - Bhawanipur Sangeet Sammilani
- Reisebericht von Yogendra -


In der Im Februar 2012 hatte Yogendra Gelegenheit, das klassische Konzertleben in der bengalischen Musikmetropole Kalkutta zu erleben. In einer fünfteiligen Reihe berichtet er von den vielen Facetten der aktuellen Szene.

Die südliche Innenstadt von Kalkutta, zwischen dem alten Zentrum und der Einkaufsmeile Rash Behari Avenue (wo heute noch der Sarodbauer Hemen residiert und bis vor wenigen Jahren auch der Sitarbauer Hiren Roy), ist ein dicht bebautes, pulsierendes bis tosendes indisches Großstadtviertel. In einer Seitenstraße findet sich ein unscheinbares älteres Gebäude im ortsüblichen Zustand - schmutziger Gehweg davor, schimmelfleckige Wände, schmale Eingangstür und enges Treppenhaus voll unsäglicher Gerüche. Wer sich aber von dem wenig einladenden äußeren nicht abschrecken lässt, findet im ersten Stock einen der ältesten und ehrwürdigsten privaten Musikzirkel Kalkuttas - den Bhawanipur Sangeet Sammilani, zu deutsch etwa: die Musikversammlung des Bezirks Bhawanipur.

Im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert entdeckte das neu entstehende gebildete Bürgertum in den indischen Großstädten die Raga-Musik als nationales Kulturgut. Vielerorts wurden private Musikvereine zu dessen Pflege gegründet. Das klassische Musikmonopol der Adeligen oder Großgrundbesitzer mit ihren traditionellen Mehfils bröckelte und wurde zunehmend ersetzt durch bürgerschaftliches Engagement. Die Gründung des Bhawanipur Sangeet Sammilani im Jahr 1900 fiel genau in diese Bewegung. Im Lauf seiner mehr als 100-jährigen Geschichte hat der Verein manch glänzende Soiree erlebt: Bade Ghulam Ali Khan war dort ebenso zu hören wie Ali Akbar Khan, Ravi Shankar und Vilayat Khan. Aber auch heutige Größen wie Rashid Khan, Tejendra Narayan Mazumdar oder Veena Sahashrabudhhe sind regelmäßig zu Gast.

Die glorreiche Geschichte spiegelt sich im Konzertsaal des Sammilani an den wohl etwa vier Meter hohen Wänden wider - sie sind bis unter die Decke mit Gemälden berühmter Musikmeister vollgehängt und verleihen dem Raum ein einzigartig altehrwürdiges Flair. Ansonsten geht es aber eher schlicht zu: Die mit Teppichboden ausgelegte Grundfläche ist kaum größer als ein sehr sehr geräumiges Wohnzimmer. Stühle sucht man vergebens; lediglich an den Wänden ringsum stehen einige einfache Bänke. Man sitzt im Schneidersitz auf dem Boden. Als Bühne dienen ein paar niedrige Podeste, abgedeckt mit weißen Laken. Im Verhältnis dazu Überraschend aufwändig ist aber die Tontechnik: Jedes Instrument bekommt ein eigenes Mikrofon, inklusive der Tanpura, Mischpult und Lautsprecher sind auf dem Stand der Technik und sogar große Monitorboxen für die Künstler stehen vor der kleinen Bühne. Nötig wäre dieser Aufwand in dem relativ kleinen Raum wohl nicht unbedingt - auch ohne Verstärkung wäre die Musik sicher gut zu hören. Aber der besondere Reiz des unverstärkten natürlichen Klangs scheint in Indien noch weitgehend unbekannt zu sein. Eine gewisse kräftige Grundlautstärke gehört einfach überall dazu.

Auf dem Programm stehen an diesem Abend der Sitarist Partha Chatterjee und eine in Kanada lebende singende Auslandsinderin als Vorprogramm. über die Auslandsinderin möchte ich hier lieber schweigen - ihre Intonation war dermaßen schmerzhaft, dass ich mir nur mit aktivem Weghören und Verlassen des Saales nach ihrem ersten Stück zu helfen wusste. Es bleibt mir ein Rätsel, wie diese Dame zu der Konzerteinladung beim Sammilani gekommen ist. Sitarist Partha Chatterjee zeigte sich dagegen mit Raga Bihag als wahrer Ohrenschmaus. Die bestechende Klarheit seiner Raga-Interpretation, die gesangliche Musikalität seiner Phrasierung, seine perfekte Proportionierung der verschiedenen Formelemente und der organische Fluss seiner Kreativität sind reiner Hochgenuss. Sein Spiel in Alap, Jor und langsamem Gat dürfte zum Feinsten gehören, was die klassische indische Musik heute zu bieten hat. Lediglich seine schnellen Gats und Tanas wirkten oft unnötig angestrengt und überambitioniert. Gut, dass der brillante Tablabegleiter Ashok Mukherjee immer wieder mit souveräner Leichtigkeit und Spielfreude zur Stelle war.

So großartig die dargebotene Musik, so mager dagegen der Publikumszuspruch. Von den etwa 25 - 30 Besuchern waren wohl die eine Hälfte Verwandte und Schüler der Künstler und die andere Hälfte Sammilani-Aktivisten im Rentenalter. Nun ist Partha Chatterjee sicher keiner der heute populären Raga-Superstars, die allein schon durch ihren in allen Medien verbreiteten Kultstatus die Hallen füllen. Aber selbst ein ordentliches Nischenpublikum von Musikliebhabern ist in Kalkutta angesichts des großen kulturellen Angebots und der zunehmenden Kommerzialisierung und Verdichtung aller Lebensbereiche anscheinend schwer zu mobilisieren. Womöglich ist aber auch die Grundidee bürgerschaftlichen Engagements in Kulturvereinen heute nicht mehr zeitgemäß - die altehrwürdige Patina des Sammilani wirkt doch leicht angestaubt und alles andere als angesagt. Auch ein so traditionsreicher Verein braucht wohl immer wieder aktive junge Mitglieder und frische Ideen, um den Anschluss nicht zu verpassen und lebendig zu bleiben.

Einen kleinen optischen Eindruck des Bhawanipur Sangeet Sammilani gibt es auf Youtube - Anirban Bhattacharyya singt Raga Rageshri.

 


5. Eingeschränkter Betrieb - Juni / Juli
- Firmen-Info -


Unser Geschäftsführer Norbert Klippstein ist vom 4. - 8.6. und vom 30.6. - 15.7. im Urlaub. Leider können Versand und Laden von India Instruments in dieser Zeit nur sehr eingeschränkt arbeiten. Der eMail-Verkehr ist dagegen nicht betroffen - wir beantworten weiter zügig alle Anfragen und nehmen Bestellungen und Vormerkungen entgegen. Im Rahmen der personellen Möglichkeiten werden wir uns auch bemühen, Bestellungen so zeitnah wie möglich zu bearbeiten und zu versenden. Vor allem Kleinbestellungen können voraussichtlich relativ gut abgewickelt werden.

Der Versand größerer Instrumente muss dagegen unter Umständen auf die Zeit ab 11.6. bzw. ab 16.7. verschoben werden. Bestellungen größerer Instrumente sollten nach Möglichkeit bis spätestens 3 Werktage vor den Urlaubszeiten bei uns eingehen, wenn der Versand noch davor erfolgen soll. Eil- und Terminbestellungen können während der Urlaubszeiten leider nicht abgewickelt werden. Besuche im Berliner Laden sind nur eingeschränkt und nach genauer Absprache möglich. Wir bitten um Entschuldigung für diese Unannehmlichkeiten!


6. Konzertkalender - Juni / Juli
- Szene-Info -


Am 11.5. hat der indische Handelsminister Anand Sharma in Hamburg die "Days of India in Germany" eröffnet. Sie wurden von indischer Regierungsseite aus Anlass des 60-jährige Bestehens der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern initiiert und sollen noch bis März 2013 laufen. Ein Programm wurde allerdings bisher noch nicht veröffentlicht. Und auch der Eröffnungsempfang mit einem Konzert des großen Geigers L. Subramaniam fand lediglich vor geladenen Gästen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Angesichts dieser Geheimniskrämerei darf man gespannt sein, ob im Rahmen der "Days of India in Germany" vielleicht noch das ein oder andere besondere Konzert stattfinden wird - oder ob sich die ganze Veranstaltung als heiße Luft entpuppt... Derweil präsentieren engagierte private Veranstalter in mühsamer, chronisch unterfinanzierter Kleinarbeit auch in den kommenden Sommermonaten wieder einige Konzerthighlights:

01.06. MÜNCHEN: PARTHA BOSE - Sitar, NIKOLA LUTZ - Saxophone, INDRANIL MALLICK - Tabla
02.06. FRANKFURT: BHARATHI AVIREDDY - Bharathanatyam dance, SURANGAMA DASGUPTA - Kathak dance
03.06. GÖTTINGEN: RAJENDRA GANGANI, SWATI SINHA, DEODATT PERSAUD - Kathak dance
08.06. MÜNCHEN: HARIPRASAD CHAURASIA - Bansuri
09.06. CH-KREUZLINGEN: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
10.06. KÖLN: MADRAS SPECIAL R.Shotham (perc), S.Sanjana (Voc), Z.Lantos (Violin), C.Zörner (bass)
13.06. CH-THUN: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
14.06. CH-ST GALLEN: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
15.06. CH-BASEL: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
16.06. CH-BERN: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
16.06. ESSEN: SHAHID PARVEZ - Sitar, ATULKUMAR UPADHYE - Violine
20.06. CH-WINTERTHUR: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
21.06. CH-LIESTAL: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
22.06. CH-LUZERN: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
23.06. A-LINZ: RINA CHANDRA - Bansuri, GERHARD ROSNER - Violine
23.06. CH-LAUSANNE: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
24.06. FRANKFURT: SINGING STRINGS 2x Sitar, Gesang & Tabla
30.06. HILDESHEIM: YOGENDRA - Sitar solo
30.06. STUTTGART: MANOJ BARUAH - Violine, SUMAN SARKAR - Tabla
01.07. STUTTGART: MANOJ BARUAH - Violine, SUMAN SARKAR - Tabla
22.07. KÖLN: USMAN KHAN - Sitar
27.07. BERLIN: SUKHWINDER SINGH "PINKY" - Tabla, AL GROMER KHAN - Sitar & Surbahar

Ausführlichere Infos, Ort und Zeit sowie weitere Termine für 2012 wie immer auf unserem Konzertkalender.



7. Indische Klassik (3/7) - Nord und Süd
- Hintergrundinfo von Yogendra -


Die klassische indische Musiktradition und ihre Instrumente sind die Grundlage für die Arbeit von India Instruments. Aber was hat es mit dieser Tradition auf sich? In einer siebenteiligen Reihe von Yogendra bringen wir eine Einführung für Einsteiger.

Klassische indische Musik (3/7) Nord- & Südindien: Zwei große Traditionen

Gemeinsame Wurzeln

In der klassischen indischen Musik gibt es heute zwei große Traditionen, die sich in den verwendeten Instrumenten, im Repertoire, Vokabular und den musikalischen Formen deutlich unterscheiden: die Hindustani-Musik im Norden und die karnatische Musik im Süden. Sie haben aber gemeinsame Wurzeln im Sama-Veda, wo musikalische Regeln zur Verwendung von drei bis sieben Tönen bei der Rezitation von heiligen Texten des Rig-Veda beschrieben wurden. Beide Musiksysteme basieren auf Raga als melodischem Prinzip und auf Tala als rhythmischer Grundlage, sind einstimmig modal, orientieren sich am Gesang als Ideal, werden von professionellen Musikern mündlich überliefert, verwenden die sieben Tonsilben Sa, Re/Ri, Ga, Ma, Pa, Dha und Ni und legen großen Wert auf Improvisation. Erst etwa ab dem 12. Jahrhundert haben sich aus den gemeinsamen Elementen zwei verschiedene Traditionslinien entwickelt.

Hindustani-Musik

Die Hindustani-Musik wird nördlich der Bundesstaaten Karnataka und Andhra Pradesh in ganz Indien kultiviert, aber auch in Pakistan, Bangladesh, Nepal und Afghanistan. Sie enwickelte sich durch die Auseinandersetzung mit persischen Einflüssen, die durch die muslimischen Herrscher nach Nordindien kamen. Stars wie Ravi Shankar, Ali Akbar Khan und später Zakir Hussain haben sie im 20. Jahrhundert weltweit bekannt gemacht. Auch viele Nicht-Inder sind heute so fasziniert von der Hindustani-Musik, dass sie sie lernen und zusammen mit der enorm verbreiteten indische Diaspora dafür sorgen, dass man auch in Europa, Nordamerika, Japan, Australien und den arabischen Golfstaaten hochklassige Konzerte mit Hindustani-Musik erleben kann. Wegen dieser großen Popularität werden sich die nächsten Folgen dieser Reihe ausführlicher den Stilen, Interpreten und Instrumenten der Hindustani-Musik widmen.

Karnatische Musik

Die karnatische Musik ist vor allem in den vier von dravidischen Sprachen geprägten südindischen Bundesstaaten Andhra Pradesh, Karnataka, Kerala und Tamil Nadu sowie im tamilischen Teil von Sri Lanka zu Hause. Ihr Kern sind die Gesangskompositionen großer Meister, sowohl im Unterricht als auch im Konzert. Dabei sind die musikalische Struktur und der Text gleichermaßen wichtig. Selbst wenn karnatische Musik auf einem Instrument gespielt wird, orientiert man sich am Gesang - spezielle Instrumentalkompositionen sind nicht üblich. Improvisation in Raga und Tala nimmt weniger Raum ein als in der Hindustani-Musik und wird oft in die Komposition eingebunden. Es gibt aber mit Ragam Tanam Pallavi auch eine eigene Form der Improvisation, die aus drei aufeinander aufbauenden Elementen besteht: Im Ragam wird rein melodisch ohne rhythmische Bindung der Raga entfaltet, im Tanam werden die Raga-Melodien in einem rhythmischen Puls gespielt und im Pallavi gibt es eine Art wiederkehrenden kurzen Refrain, über den improvisiert wird.

Purandara Dasa und die großen Drei

Nachdem sich die karnatische Musik über mehrere Jahrhunderte eigenständig entwickelt hatte, wurden im 16. Jahrhundert von Purandara Dasa die Grundlagen für die heutige Praxis gelegt. Von ihm sind etwa 1000 Lieder überliefert, in denen er eine beispielhafte Verbindung von Ausdruck, melodischer Schönheit und rhythmischer Raffinesse schuf. In die Texte integrierte er Alltagsgeschichten und Umgangssprache, aber auch Erklärungen philosophischer Themen und machte die Musik so einem breiteren Publikum zugänglich. Er entwickelte aber auch eine Unterrichtsmethodik mit systematischen Übungen, nach der karnatische Musik bis heute gelehrt wird. Eine große Blütezeit erlebte die karnatische Musik im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert mit den drei Komponisten Tygaraja, Muthuswami Dikshitar und Shyama Shastri. Ihre Werke bilden den Kern des modernen Konzertrepertoires und sie werden teilweise fast wie Heilige verehrt. In ihren Liedtexten geht es meistens um religiöse oder philisophische Themen.

Karnatische Instrumente

Die Grundlage für die Musik bildet das Saiteninstrument Tanpura mit seinem langen Hals und kugeligen Resonanzkörper. Die offenen Saiten der Tanpura werden sacht und gleichmäßig angezupft, so dass sich ein kontinuierlicher Klangteppich ergibt. Auf der Geige lassen sich die gleitenden melodischen Bewegungen und die lang gehaltenen Töne und die rhythmische Artikulation der menschlichen Stimme besonders gut imitieren. Die Geige wird deshalb in der karnatischen Musik oft zur Begleitung des Hauptsängers (oder der Hauptsängerin) eingesetzt. Sie kann aber auch als Soloinstrument verwendet werden. Das verbreitetste Solo-Instrument ist die Saraswati-Vina, ein gegriffenes und gezupftes Saiteninstrument, das auf den ersten Blick der nordindischen Sitar ähnlich sieht. Dank großer Unterschiede in Bau und Spieltechnik hat die Saraswati-Vina aber einen ganz unverwechselbar eigenen Klang. Wichtig für die karnatische Musik ist auch die rhythmische Begleitung. Das Hauptinstrument dafür ist die kräftige Quertrommel Mridangam, die auf beiden Seiten mit Fellen bespannt ist. Bei größeren Ensembles kommen dazu noch Ghatam, eine Art Tontopf, das kleine Tamburin Kanjira und die Maultrommel Morsing.

Karnatische Konzerte

Ein typisches karnatisches Konzert dauert etwa drei Stunden. Am Anfang stehen meist mehrere kürzere Stücke, in der Mitte ein langes Hauptstück mit Ragam Tanam Pallavi und zum Ende hin wieder mehrere kürzere und leichtere Stücke. Oft gibt es auch einen eigenen Percussion-Teil. Wenn mehrere Percussionisten mit dabei sind, ergeben sich darin oft mitreißende rhythmische Dialoge. Hochsaison für Konzerte ist jedes Jahr im Dezember und Januar die sechswöchige Madras Music Season in Chennai, eines der größten Kulturfestivals der Welt. In Mitteleuropa ist karnatische Musik dagegen leider nur selten live zu erleben.

CDs mit karnatischer Musik:
* Gesang
* Instrumente
* Percussion

Infos und Hörbeispiele zu karnatischen Instrumenten:
* Saraswati-Vina
* Mridangam
* Ghatam
* Kanjira

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