Rundbrief Juli / August 2012

Inhalt

1. Neue Shrutiboxen - Medium & Triple
2. Tanpurakoffer - Preissenkung
3. Navras Records - 20-jähriges Jubiläum
4. Neue CDs - Nikhil Banerjee, Gangubai Hangal u.a.
5. Mehdi Hassan - König des Ghazal
6. Konzertleben in Kalkutta (3/5) - Sangeet Research Academy
7. Die jungen Meister (3/8) - Manjusha Kulkarni Patil
8. Konzertkalender - August / September
9. Indische Klassik (4/7) - Dhrupad, Khyal, Thumri & Instrumentalstil

 


1. Neue Shrutiboxen - Medium & Triple
- Neu im Sortiment -


Shrutiboxen sind extrem einfach zu spielen, nahezu unverwüstlich, handlich, leicht und erzeugen einen warmen, lebendig atmenden Klang - all das macht sie zu unserer meist verkauften Instrumentengruppe. Der stetig steigenden Nachfrage tragen wir jetzt mit zwei neuen Modellen Rechnung. Beide sind ab sofort bei India Instruments erhältlich.

  • Shrutibox Monoj Kumar Sardar Medium - 210,- Euro (zzgl. 6,90 Euro Versand innerhalb Deutschlands)
    Die Shrutibox medium verbindet die Vorteile größerer und kleiner Shrutiboxen zu einer interessanten Zwischenform. Sie ist erheblich leichter als die große Shrutibox von Monoj Kumar Sardar, so dass sie sich noch relativ angenehm tragen lässt. Gleichzeitig verfügt sie über einen spürbar größeren Balg als die kleinen Shrutiboxen von Monoj Kumar Sardar und Paloma, so dass man auch Akkorde relativ einfach gleichmäßig klingen lassen kann.
    Die Shrutibox medium ist zudem das einzige Modell von Monoj Kumar Sardar dessen Seitenflügel nicht aus Schichtholz gefertigt sind sondern aus Massivholz. Dadurch bekommt sie ein besonders attraktives Erscheinungsbild. Bilder & weitere Infos
  • Shrutibox Monoj Kumar Sardar Triple - 290,- Euro (zzgl. 6,90 Euro Versand innerhalb Deutschlands)
    Die Shrutibox Monoj Kumar Sardar Triple ist für Profis mit besonders hohen Ansprüchen gedacht. Sie erzeugt einen einzigartig vollen, lebendigen Bordunklang, den vor allem Musik- und Klangtherapeuten zu schützen wissen. Wie alle Shrutiboxen ist sie dabei aber auch sehr zuverlässig und extrem einfach zu handhaben.
    Der Tonumfang beträgt drei Oktaven und reicht von C3 bis H5. Dadurch wird es z.B. möglich, zu einzelnen Tönen oder auch zu ganzen Akkorden aus der Grundoktave ab C3 zusätzlich Oktaven, Quinten und Quarten aus den beiden darüber liegenden höheren Oktaven mitklingen zu lassen und so Grundprinzipien der Obertonreihe nachzubilden. Aber auch alle möglichen anderen Zusammenklänge der insgesamt 36 Töne lassen sich frei nach Wunsch einstellen. Bilder & weitere Infos
  • Sonderangebot
    Momentan haben wir einige große und kleine Shrutiboxen sowie Triple Shrutiboxen von Monoj Kumar Sardar mit leichten Transportschäden (Kratzer, angestoßene Ecken) auf Lager, die wir mit 10% Preisnachlass abgeben! Bei Interesse bitte anfragen!




2. Tanpurakoffer - Preissenkung
- Sonderangebot -


Wir haben die Preise für unsere Tanpurakoffer male und female massiv gesenkt. Ab sofort und bis auf weiteres kosten alle male und female Tanpurakoffer nur noch genauso viel wie einfache Tanpurataschen - nämlich 89,- Euro!

Im Laufe der Jahre haben sich bei uns immer mehr große Tanpurakoffer angesammelt. Inzwischen blockieren sie so viel Lagerplatz, dass wir den Bestand unbedingt reduzieren möchten. Die Preissenkung gilt daher nur so lange, bis wir wieder genug Platz im Lager haben. Bei Interesse an einem Tanpurakoffer bestellen Sie bitte so bald wie möglich, um in den Genuß des reduzierten Preises zu kommen! Bitte geben Sie bei einer Bestellung unbedingt auch die Maße Ihrer Tanpura an (Gesamtlänge sowie Durchmesser und Tiefe des Korpus), damit wir einen passenden Koffer raussuchen können!

Kunstlederkoffer bieten einen sehr guten mechanischen Schutz. Sie sind sehr robust und somit langlebig, aber auch relativ schwer (male ca. 8 kg, female ca. 6,5 kg). Sie sind ideal für häufige Reisen in öffentlichen Verkehrsmitteln mit hochwertigen Instrumenten.

Hartpappekoffer sind relativ leicht (male ca. 6,5 kg, female ca. 5,5 kg), bieten einen guten mechanischen Schutz und sind verhältnismässig preiswert. Leider sind sie auch relativ verschleißanfällig - jedoch bestens geeignet zur Aufbewahrung zu Hause, für kurze (Fuß-)Wege, Transporte im Auto und Reisen mit einfachen Instrumenten. Ungeeignet sind sie für langfristige Dauerbelastung.

Fotos und weitere Infos zu Koffern und Taschen für Tanpura

 


3. Navras Records - 20-jähriges Jubiläum
- Szene-Info -


Das auf indische Musik spezialisierte Plattenlabel Navras aus London feiert in diesem Sommer 20. Geburtstag - herzlichen Glückwunsch! Da kein Label Live-Mitschnitte der in London stattfindenden großartigen indischen Konzerte veröffentlichen wollte, gründete Vibhaker Baxi 1992 einfach sein eigenes Label. Einmal gestartet, bekam Vibhaker Baxi schnell Unterstützung von führenden indischen Musikern, die allesamt gern ihre Konzerte bei Navras veröffentlicht sahen. Neben indischer Klassik produzierte Navras bald auch CDs mit der ganzen Bandbreite traditioneller indischer Musik wie z.B. Ghazal, Thumri, Bhajan, Qawwali und diversen Folk-Stilen. Aber auch Fusion- und Crossover-Projekte mit indischer Musik fanden ihren Weg ins Sortiment.

Ein erster Meilenstein war 1995 die Eröffnung eines Navras-Büros in Indien, um auch den riesigen indischen Markt zu erschließen. Da das für eine kleine Firma kaum zu leisten war, werden die Navras-Produktionen in Indien seit 1998 von Sony Music unter dem Namen Sony Nad vertrieben. Eine besondere Ehre für Navras war der Exklusivvertrag, den der 2004 verstorbene Sitarvirtuose Vilayat Khan in seinen letzten Lebensjahren mit dem Label abschloss. Zeugnis der Zusammenarbeit sind allein 13 Alben mit diesem legendären Meister. Und während in den letzten Jahren die CD-Verkäufe weltweit einbrechen und viele indische Musiker ihre Musik nur noch online oder auf eigene Kosten im Selbstverlag veröffentlichen können, erweitert Navras das Sortiment immer weiter. Jüngster Coup ist der Erwerb der Veröffentlichungsrechte für Archivaufnahmen des National Center for the Performing Arts (NCPA) in Mumbai. Das 1969 gegründete NCPA ist einer der bedeutendsten indischen Konzertveranstalter und hat inzwischen tausende Stunden mit Live-Aufnahmen aller namhaften klassisch indischen Musiker gesammelt. Die ersten CDs daraus hat Navras gerade herausgebracht - s.u.!

Was zunächst aus Enthusiasmus als reines Hobby begann, entwickelte sich so über die Jahre zu einem weltweit aktiven Familienunternehmen. Federführend dabei sind neben dem Gründer und Vorsitzenden Vibhaker Baxi vor allem sein Neffe Rahul Baxi und seine Nichte Neema Joshi. Heute umfasst der Katalog weit über 300 CD-Titel und knapp 20 DVDs - allesamt auch erhältlich bei India Instruments...! Möge Navras weiterhin erfolgreich gedeihen und alle Freunde indischer Musik noch mit vielen inspirierenden Veröffentlichungen beglücken!

 


4. Neue CDs - Nikhil Banerjee, Gangubai Hangal u.a.
- New in our Assortment -


  • Nikhil Banerjee (Sitar): Ragas Maluha Kalyan & Nat Bhairava; NRCD 8504 - 15,- Euro Digital neu gemasterter Live-Mitschnitt des National Center for the Performing Arts, Mumbai, 1975. Nikhil Banerjee (1931 - 1986) war ein allseits bewunderter und respektierter Meister der indischen Musik und zweifellos einer der größten Sitaristen seiner Generation. Sein raffinierter Stil kombiniert das Beste aller großen Sitar-Schulen und macht ihn zu einem idealen Vertreter dieses Instruments. Die Tabla-Begleitung spielt Anindo Chatterjee. Maluha Kalyan (36 Min.) ist ein sehr selten gespielter Abendraga. Wie ein Architekt errichtet Nikhil Banerjee im Alap, Jor und Jhala Ton um Ton die imposante Struktur des Ragas. Nat Bhairav (25 Min.) ist eine Mischung aus Ragas für die Zeit nach Sonnenuntergang und vor Morgengrauen. Dominierend ist die romantische Hingabe.
  • Gangubai Hangal (Khyal Vocal): Ragas Adana, Yaman & Ahir Bhairav; NRCD 8502/3 - 26,50 Euro (Doppel-CD) Digital neu gemasterter Live-Mitschnitt des National Center for the Performing Arts, Mumbai, 1974. Gangubai Hangal (1913 - 2009) war eine Vertreterin der Kirana Gharana. Als Frau und aus einer niederen Kaste stammend musste sie enorme Widerstände überwinden, um als klassische Sängerin erfolgreich zu werden. Mit ihrer charakteristisch tiefen, fast männlich wirkenden Stimme gehörte sie jahrzehntelang zu den ganz großen, angesehensten Künstlerinnen Indiens. Für ihr Lebenswerk erhielt sie den Padma Vibhushan, den zweithöchsten indischen Staatsorden. Begleitet wird sie hier von Sultan Khan (Sarangi) und Shesh Giri Hangal (Tabla). Raga Adana (17 Min.) wird selten von Künstlern der Kirana Gharana interpretiert. Gangubai Hangals kraftvoll-heisere Stimme bringt darin eine Saite im Herzen des Zuhörers zum Schwingen. Den großen Abendraga Yaman (31 Min.) singt sie mit tiefer innerer Beteiligung und hingebungsvollen Eifer. Mit ihrem gleichzeitig bewegenden und beruhigenden Alap und ihren explosiven Tanas entfaltet sie dabei eine enorme emotionale Kraft. Ahir Bhairav (48 Min.) ist ein sehr beliebter Morgenraga, den Gangubai Hangal hier mit einem Gefühl großer Ruhe vorgeträgt.

Auf Anfrage bestellen wir auch folgende Navras-Neuheiten:

  • Amjad Ali Khan (Sarod): Ragas Hemavati, Khamaj & Shyamshree; Live 1978; NRCD 8501 - 15,- Euro
  • Amjad Ali Khan (Sarod): Raga Bihag; Live 1971; NRCD 248/9- 26,50 Euro (Doppel-CD)
  • Amjad Ali Khan (Sarod): Ragas Darbari Kanada & Shahana; Live 1971; NRCD 250/1- 26,50 Euro (Doppel-CD)
  • Rajeev Taranath (Sarod): Ragas Yaman Kalyan, Mishra Kirwani & Sindhu Bhairavi; Live 2003 & 2008; NRCD 0247 - 15,- Euro
  • Parveen Sultana (Vocal Khyal): Ragas Madhuvanti, Maluha Maand & Jog, div. Bhajans; Live 2009; NRCD 0245/6 - 26,50 Euro (Doppel-CD)
  • Hans Raj Hans (Vocal): Arz Hai (An Offering) - Ghazals, Sufi Songs & Qawwalis; Live 2006; Laufzeit 139 Min.; NRDVD 018 - 29,- Euro (DVD)

 


5. Mehdi Hassan - König des Ghazal
- Nachruf von Yogendra -


Der große Ghazal-Sänger Mehdi Hassan ist am 13.6. in Karachi nach langer Krankheit verstorben. Mehdi Hassan galt als ungekrönter König des Ghazal und genoß in seiner Wahlheimat Pakistan ebenso große Popularität wie in seinem Geburtsland Indien. Bis 1985 war Mehdi Hassan auf zahllosen Konzerten und Schallplatten und in etwa 60 Filmen als Playbacksänger zu hören. Eine schwere Krankheit zwang ihn schließlich in den späten 1980er Jahren, den Playbackgesang aufzugeben. Etwa seit der Jahrtausendwende musste er wegen Lungenproblemen und anderer gesundheitlicher Schwierigkeiten auch seine Live-Auftritte weitgehend einstellen.

Zur Welt kam Mehdi Hassan 1927 im westindischen Rajasthan in einer traditonellen Musikerfamilie. Vater und Onkel waren Dhrupad-Sänger. So erhielt er von frühester Kindheit an eine intensive musikalische Ausbildung und gab schon mit acht Jahren sein erstes öffentliches Konzert mit Dhrupad und Khyal. Im Zuge der indischen Teilung 1947 zog seine Familie mit ihm ins neu gegründete Pakistan. Dort hatte sie allerdings mit großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. So musste sich Mehdi Hassan einige Jahre lang als Fahrrad- und Automechaniker durchschlagen.

1957 bekam er Gelegenheit, für Radio Pakistan zu singen und wurde dadurch in Musikerkreisen bekannt. Anfangs wurde er vor allem als Thumri-Sänger engagiert, aber seine Leidenschaft für Urdu-Poesie führte ihn schließlich dazu, mit dem Singen von Ghazals zu experimentieren. Ghazal hatte bis dahin zwar eine jahrhundertelange literarische Tradition, war aber als musikalische Form in der Öffentlichkeit noch wenig etabliert. Lediglich die 1914 geborene Begum Akhtar hatte in den 1930er und 40er Jahren schon Erfolge als Ghazal-Sängerin. Mehdi Hassans Durchbruch kam 1962 als Playbacksänger in dem Film Susraal. Seine Stimme und seine auf traditionellen Ragas basierenden Vertonungen klassischer Urdu-Poesie wurden zum Inbegriff des modernen Ghazal. Vor allem die unnachahmliche Weise, wie er dabei Emotionen transportierte, wurde allseits bewundert. Die legendäre Playbacksängerin Lata Mangeshkar wird mit dem Ausspruch zitiert, Gott spreche durch seine Kehle.

Mehdi Hassans Gesang ist bei India Instruments auf einer Dreifach-Live-CD mit dem Titel Classical Ghazals erhältlich (NRCD 001/2/3, 36,50 Euro). Begleitet wird er darauf von Sultan Khan (Sarangi) und Shaukat Hussain (Tabla). Diese und weitere Ghazal-CDs finden sich im CD-Katalog auf unserer Website.



6. Konzertleben in Kalkutta (3/5) - Sangeet Research Academy
Reisereportage von Yogendra -


Im Februar 2012 hatte Yogendra Gelegenheit, das klassische Konzertleben in der bengalischen Musikmetropole Kalkutta zu erleben. In einer fünfteiligen Reihe berichtet er von den vielen Facetten der aktuellen Szene. 

Der Verkehrsknoten Tollygunge in Süd-Kalkutta ist das in indischen Metropolen übliche tosende Inferno. Doch inmitten dieser Kakophonie liegt wie eine Insel des Wohlklangs hinter hohen Mauern eine prächtige Kolonialvilla mit einem weitläufigen parkartigen Garten - die Sangeet Research Academy (SRA). Ihre elysischen Gefilde sind für die Öffentlichkeit normalerweise nicht zugänglich; nur ein knappes Dutzend berühmter Musikmeister, ihre Assistenten und handverlesenen Schüler sowie einige Tablabegleiter und das angestellte Personal passieren regelmäßig die Sicherheitskontrolle am Eingangstor. Kein hektisches Getriebe soll im Inneren vom eigentlichen Ziel ablenken: Im Sinne der alten Schüler-Lehrer-Tradition klassische Konzertsolisten heranzubilden. Durchaus mit Erfolg, denn die SRA-Absolventen Ajoy Chakrabarty und Rashid Khan zählen heute zu den Topstars der indischen Musik.

Immer mittwochs aber öffnen sich die Pforten dieses Musiktempels für jedermann zu Konzerten mit SRA-Stipendiaten und -Tutoren. Für Kenner eine gute Gelegenheit, den Nachwuchs in der Entwicklung zu erleben - und für diesen die Chance, sich vor einem kritischen, fachkundigen Publikum zu beweisen. Die Mitwochskonzerte finden in einem mittelgroßen Saal im Erdgeschoss statt, gleich hinter der Eingangshalle. Am Kopfende ist ein kleines Podium, das als Bühne dient, der Boden ist flächendeckend mit Teppichboden ausgelegt, und von den Wänden schauen großformatige Fotoportraits früherer SRA-Lehrer und berühmter Virtuosen des 20. Jahrhunderts. Durch die geschlossenen Fenster dringt nur gedämpft das Hupkonzert von Tollygunge, und mit Beginn der Performance wird es mühelos übertönt von der zwar kräftig aber noch maßvoll aufgedrehten Verstärkeranlage.

Im Vorprogramm ist an diesem Mittwoch Soumik Datta auf der Sarod zu hören, ein 1984 geborener Schüler von SRA-Guru Buddhadev Dasgupta, der aber nicht auf dem Campus lebt sondern in London. In seiner britischen Heimat ist Soumik ein recht erfolgreicher, experimentierfreudiger junger Musiker, der u.a. schon mit Beyonc, Nitin Sawhney, Talvin Singh und dem Tänzer Akram Khan gearbeitet hat. Als Interpret indischer Klassik kann er in der Raga-Hochburg Kalkutta dagegen nicht überzeugen; mit kurzem Höflichkeitsapplaus wird Soumik nach einer all zu nervösen und zerfahrenen Performance von der Bühne geklatscht. Erheblich mehr Eindruck als sein Spiel dürfte sein Haar gemacht haben - einen Irokesenschnitt hat man bei einem Sarodspieler in Kalkutta wohl noch nicht gesehen...

Das zahlreich erschienene, etwa 60-köpfige Publikum ist eine gesunde Mischung aus Jung und Alt, Studenten, Lehrern und Mitarbeitern der SRA und externen Musikliebhabern, bunt durcheinander auf dem Boden hockend oder auf den wenigen Stühlen an den Wänden. Die meisten sind etwas feierlich in frisch gebügelten Kurtas oder Saris erschienen und Männlein und Weiblein werden durch einen frei gelassenen Mittelgang säuberlich voneinander getrennt. Hier weht noch ein förmlich-ehrwürdig-traditionalistischer Geist, der aus einer eigentlich schon vergangenen Zeit zu stammen scheint.

Gespannt ist man an diesem Abend auf Waseem Ahmed Khan, einen Sänger der Agra Gharana. Waseem, Jahrgang 1974, stammt aus einer alten Musikerfamilie, war früher selbst Stipendiat und ist jetzt seit ein paar Monaten frisch an der SRA eingestellt. Als Musician Tutor unterrichtet er Gesangsschüler, die noch nicht für ein SRA-Vollstudium in Frage kommen und steht zwischen Stipendiaten und Gurus. Seine Interpretation des schwierigen Abendragas Puriya beeindruckt zunächst mit ihrer klaren, majestätischen Linienführung. Anfangs vermag auch sein etwas raues, männlich herbes Timbre zu faszinieren. Aber je weiter die Performance fortschreitet, desto statischer, fast museal erstarrt wirkt sie, desto mehr fehlt der Ideenreichtum, die Eleganz und Geschmeidigkeit, die heute große indische Sänger auszeichnet. Mag sein, dass Waseem einfach kein wirklich großer Sänger ist, aber es ist sicher kein Zufall, dass der leicht archaisch wirkende reine Agra-Stil in den letzten Jahren nur noch selten zu hören ist. Viele Zuhörer sehen das wohl ähnlich, denn nachdem sie höflich bis zum Ende seines Puriya gewartet haben, ersparen sie sich weitere Stücke und Zugaben und gehen.

Auch ich habe für heute genug gehört. Zwar gab es künstlerisch keine Sternstunden, aber der Abend hat doch eine sehr lebendige Seite der indischen Klassik gezeigt. Traditionen werden gepflegt, ohne in die Musealisierungsfalle zu treten. Wer lediglich eine Überlieferung bewahrt, wird zwar respektiert, vermag aber nicht zu begeistern. Und eine neue weltoffene, kritische und experimentierfreudige Generation macht sich bereit, die indische Klassik ins 21. Jahrhundert zu tragen.


7. Die jungen Meister (3/8) - Manjusha Kulkarni Patil
- Reportage von Arunabha Deb -


In der Erstausgabe der neuen indischen Musik-, Tanz- und Theaterzeitschrift Avantika schrieb der Musikjournalist Arunabha Deb im Januar 2012 über die neue Generation großartiger klassisch indischer Musiker im Alter zwischen 30 und 40. Wir bringen seinen Artikel mit einer Einführung und sieben Musikerportraits als Fortsetzungsreihe in acht Teilen.

Manjusha Kulkarni Patil, 40, Pune, Sängerin der Agra, Gwalior und Jaipur Gharanas

Manjusha Kulkarni Patil, eine weitere leidenschaftliche junge Sängerin, hält die Fahne von Maharashtra hoch. Zu hören ist sie ausschließlich auf der klassischen Bühne - und der Größe der Fangemeinde nach, die sie schon gewonnen hat, scheint sie auch nicht darüber hinausgehen zu müssen. Ihr Erfolg ist eine Bilderbuchgeschichte: Kleinstadt, knochenhartes Üben, langsamer Start, und schließlich das Licht am Ende des Tunnels. Sie wurde in Sangli im Bundesstaat Maharashtra geboren, lernte zunächst von Chintubua Mhaiskar und wurde dann Schülerin von Pandit D. V. Kane (allgemein bekannt als Kane Bua). Kane lebte in Ichalkaranji, einer Stadt nahe Sangli: Manjusha musste für ihren Unterricht täglich zwischen den beiden Städten pendeln. An den Wochenenden konnte sie im Haus ihres Gurus übernachten und erhielt so Gelegenheit für noch intensiveres Lernen und Üben. "Die Wochenenden waren besonders", sagt sie. "Es war ein ständiger Prozess erst zu lernen und dann vor ihm zu Üben. Wenn ich einen Fehler machte, unterbrach er mich sofort und ließ mich die Stelle wieder und wieder singen, bis ich sie richtig hatte."

Sie erzählt Geschichten davon, wie sie mit der Tanpura zehn Stunden am Stück saß und von ihrem Guru unterrichtet wurde. Kein Wunder also, dass ihr Wertesystem ganz der alten Schule entspricht: "Ich sehe jetzt Studenten, die ihren Unterricht mit Aufnahmegeräten mitschneiden. Ich halte das für sehr schädlich: Deine Aufmerksamkeit ist dann nie so konzentriert. Wenn du weißt, dass du nur einen Versuch hast, um zu verinnerlichen was dein Guru dich lehrt, wird der Unterricht sofort auf eine andere Ebene gebracht."

Kane war ein Vertreter der Agra und Gwalior Gharanas. Manjushas Gesang ist diesen beiden Stilen treu. Ihr jetziger Guru Pandit Ulhas Kashalkar ist ebenfalls ein Vertreter von Agra und Gwalior (sowie von Jaipur - Atrauli). Manjusha findet, dass die Agra Gharana in letzter Zeit im Schwinden begriffen sei. Sänger, die teilweise in der Gwalior Gharana ausgebildet worden sind, neigen dazu, den Gwalior-Elementen Vorrang vor anderen zu geben. "Deshalb versuche ich, in meinem Gesang das besondere Agra-Gefühl hervorzuheben. Manchmal singe ich Nom-Tom Alaps (eine Agra-Spezialität, die vom Dhrupad inspiriert ist), aber das hängt auch vom Raga ab und ob er zum Agra-Stil passt", sagt sie.

Manjusha bietet eine reiche Vielfalt innerhalb ihrer Khyal Präsentationen und wechselt auch mit Leichtigkeit zwischen den verschiedenen Genres der semi-klassischen Musik. Thumris und Bhajans hat heute ja jeder Sänger im Repertoire, aber ihre Beherrschung von Tappas, Natyasangeet und Lavanis hebt Manjusha von ihren Zeitgenossen ab. Die Verbindung ihrer robusten Stimme mit ihrem außergewöhnlichen Repertoire machte sie zunächst im Westen Indiens populär, aber inzwischen wird sie auch regelmäßig zu Auftritten in Delhi und Kalkutta eingeladen. Ihr Konzert bei der Dover Lane Music Conference im vergangenen Jahr löste eine Begeisterung aus, wie sie nur wenige junge Künstler hervorzurufen vermögen - denn Kalkutta ist noch immer, wie Pandit Ravi Shankar sagt, "die letzte Grenze der Musik", die jeder große Künstler irgendwann erobern muss.

 


8. Konzertkalender - August / September
- Szene-Info -


Im Rahmen der Days of India 2012 - 2013 finden zahlreiche Tanzveranstaltungen statt; und auch von anderer Seite stehen einige Tanzperformances auf dem Programm - gute Zeiten also für Freunde des klassisch indischen Tanzes! Ausführlichere Infos, Ort und Zeit sowie weitere Termine für 2012 wie immer auf unserem Konzertkalender.

17.8. BERLIN: RAJA & RADHA REDDY - Kuchipudi-Tanz
18.8. TAUNUSSTEIN-HAHN: Indischer Tanz - Bharathanatyam, Mohiniattam, Odissi, Kathak & Kuchipudi
18.8. BERLIN: RAJA & RADHA REDDY - Kuchipudi-Tanz
21.8. TRABEN-TRARBACH: SAMIR CHATTERJEE - Tabla solo
24.8. GUSTERATH (bei Trier): SAMIR CHATTERJEE - Tabla solo
25.8. MAINZ: SHARMISTA MUKHERJEE - Kathak-Tanz
27.8. BERLIN: SHARMISTA MUKHERJEE - Kathak-Tanz
28.8. BONN: SHARMISTA MUKHERJEE - Kathak-Tanz
29.8. BERLIN: P.T. NARENDRAN & SHANY MATTHEW - Bharatanatyam-Tanz
31.8. MÜNCHEN: SHARMISTA MUKHERJEE - Kathak-Tanz
14.9. HANNOVER: INDIGO MASALA - Acoustic Asian World Fusion
15.9. NEUSTADT (Holstein): INDIGO MASALA - Acoustic Asian World Fusion
16.9. CELLE: INDIGO MASALA - Acoustic Asian World Fusion
27.9. BERLIN: INDIGO MASALA - Acoustic Asian World Fusion
28.9. MÜNCHEN: DRUMS OF INDIA - "Die Tradition der indischen Tabla-Trommeln"
29.9. NL - AMSTERDAM: RAZA KHAN & PARTY - Qawwali-Gesang

 


9. Indische Klassik (4/7) - Dhrupad, Khyal, Thumri und Instrumentalstil
- Hintergrundinfo von Yogendra -


Die klassische indische Musiktradition und ihre Instrumente sind die Grundlage für die Arbeit von India Instruments. Aber was hat es mit dieser Tradition auf sich? In einer siebenteiligen Reihe von Yogendra bringen wir eine Einführung für Einsteiger.

Klassische indische Musik (4/7) - Dhrupad, Khyal, Thumri und Instrumentalstil

Gesang - die Grundlage
In der klassischen nordindischen Musik gibt es eine ganze Reihe verschiedener Stile, in denen ein Raga vorgetragen werden kann. Jeder Stil hat seine eigenen Regeln im formalen Aufbau und in der Klangästhetik. Allen gemeinsam ist aber, dass Flexibilität und Nuancenreichtum der menschlichen Stimme das Ideal bilden, an dem sie sich orientieren.

Dhrupad - jahrhundertealte Tradition
Der älteste heute noch lebendige Stil ist der Dhrupad. Der Name leitet sich von dhruva pada = fester Vers ab. Dhrupad erlebte seine höchste Blüte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts am Hof des Großmoguls Akbar. Viele Musikerfamilien führen bis heute ihre Tradition auf Akbars legendären HofsängerTansen zurück, dem fast magische Fähigkeiten und die Erfindung vieler neuer Ragas zugeschrieben werden. Im Lauf der Jahrhunderte wurde Dhrupad allerdings von moderneren Stilen verdrängt. Er wird aber nach wie vor von einigen wenigen Familien kultiviert und hat sich im klassisch indischen Konzertleben eine ganz eigene Nische bewahrt. Viele Musiker studieren heute auch deshalb Dhrupad, weil darin ein sehr altes musikalisches und spirituelles Wissen bewahrt ist, das die Grundlage für alle anderen Stile bildet. Bekanntere Dhrupad-Musiker sind z.B. die Familien Dagar und Mallick und die Gundecha-Brothers.

Dhrupad - strenge Form & Erhabenheit
Typisch für den Dhrupad ist eine sehr strenge Form, die größten Wert auf die genaue Intonation jedes einzelnen Tones legt und den Raga systematisch Ton für Ton entfaltet - zuerst im frei rhythmischen Alap, und dann im pulsierenden Jor. Alap und Jor machen oft den größten Teil einer Dhrupad-Präsentation aus. Auf üppige Verzierungen der Töne wird dabei verzichtet - im Mittelpunkt steht die reine Schwingung, gesungen mit abstrakten Silben. Dadurch hat der Dhrupad meist einen sehr meditativen, ernsten und majestätischen Charakter. Erst gegen Ende einer Raga-Interpretation kommt die mächtige Quertrommel Pakhawaj dazu und es werden getragene Liedkompositionen mit ausgefeilten Texten vorgetragen. Improvisiert wird dann meist mit rhythmischen Variationen des Textes. Abgeschlossen wird oft mit einem kürzeren Lied in schnellem Tempo.

Khyal - Flug der Imagination
Der Khyal hat den Dhrupad im 19. Jahrhundert verdrängt und ist heute der verbreitetste Stil in der nordindischen Klassik. Das Wort kommt aus dem Arabischen und bedeutet Einfall, Idee oder Vorstellungskraft. Passend zu diesem Namen steht beim Khyal der kreative Genius des Solisten im Mittelpunkt. Begleitet wird Khyal außer von Tabla und Tanpura meist noch vom Streichinstrument Sarangi oder dem Tasteninstrument Harmonium. Berühmte Khyalsänger sind heute u.a. Pandit Jasraj, Ulhas Kashalkar, Ajoy Chakraborty und Rashid Khan. Auch Sängerinnen wie z.B. Kishori Amonkar, Ashwini Bhide-Deshpande, Veena Sahasrabuddhe, Prabha Atre, Parveen Sultana oder Shruti Sadolikar werden hoch geschützt.

Khyal - flexible Form & kreative Freiheit
Anfangs gibt es meist nur einen sehr kurzen Alap, und schon nach wenigen Minuten kommt die Tabla dazu. Dabei wird ein extrem langsames Tempo gespielt, das dem Solisten nahezu unbegrenzte Freiheit gibt, sich systematisch der Raga-Entfaltung zuzuwenden, melodische und rhythmische Variationen durchzuspielen, immer komplexere Muster zu weben und schließlich mit virtuosen schnellen Läufen zu glänzen. Nach diesem ausführlichen und dramaturgisch geschickt gesteigerten langsamen Teil folgt meist eine schnelle Komposition, bei der noch einmal vor allem schnelle Läufe und rhythmische Variationen in höchster Virtuosität vorgeführt werden. Die Liedtexte spielen im Khyal nur eine untergeordnete Rolle - sie dienen eher als Silbenfundus für die Improvisationen und oft wird auch nur auf den Vokal a oder auf die Namen der Töne gesungen.

Thumri - romantische Liebesmystik
Thumri und verwandte Stile gelten nur als halb-klassisch, weil sich sich große Freiheiten bei die Behandlung der Ragas nehmen. Wichtiger ist im Thumri die hoch emotionale Interpretation der Liedtexte. Darin geht es meist um unerfüllte romantische Liebe, die symbolhaft für das nie ganz zu stillende Sehnen der Seele nach dem Göttlichen steht. Oft wird eine Textzeile in immer neuen Variationen wiederholt, um das ganze Spektrum der damit verbundenen Gefühle auszuloten. Dabei werden auch Töne verwendet, die eigentlich nicht in den Raga gehören, wenn es dem Ausdruck dienlich ist. Thumris werden oft von Khyal-Sängern am Ende eines Konzertes präsentiert. Die bekannteste lebende Thumri-Spezialistin ist heute Girija Devi.

Instrumentalstil - von allem das Beste
Auch die Instrumentalisten der indischen Klassik orientieren sich an der menschlichen Stimme als Ideal. Aus dem Dhrupad benutzen sie die systematische meditative Raga-Entfaltung in Alap und Jor. Aus dem Khyal verwenden sie die ausgedehnten, immer weiter verdichteten Improvisationen über ein langsames Grundtempo und dann die schnelle Form mit virtuosen Läufen als furiosem Finale. Und aus dem Thumri kommt eine filigrane, üppige und emotionale Ornamentierung. Zusätzlich nutzen sie aber auch die technischen Besonderheiten des jeweiligen Instrumentes - auf Sitar und Sarod z.B. die rhythmischen Anschlagmuster und die groovenden Impulse der offenen Bordunsaiten. Die moderne instrumentale Konzertpraxis verbindet damit die Stärken der verschiedenen Stile in abwechslungsreicher Vielschichtigkeit und ist so für Laien oft leichter zugänglich als reine Gesangskonzerte. Kein Wunder also, dass die echten Weltstars der indischen Klassik, wie z.B. Ravi Shankar, heute eher Instrumentalisten sind als Sänger. Auf einige dieser Meister des Raga geht die nächste Folge dieser Reihe ein.

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