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Gangubai Hangal - Charisma und Bescheidenheit

Nachruf von Yogendra
(Dezember 2009)

Wie sich erst jetzt zu uns herumgesprochen hat, ist bereits am 21.7. diesen Jahres die große Khyal-Sängerin Gangubai Hangal im Alter von 96 Jahren nach kurzer Krankheit in ihrer Heimatstadt Hubli im südindischen Bundesstaat Karnataka verstorben. Gangubai Hangal war Schülerin von Sawai Gandharva und damit Vertreterin der Kirana Gharana. Als Frau und aus einer niederen Kaste stammend musste sie tief verwurzelte Vorurteile und soziale Konventionen überwinden, um im Indien der britischen Kolonialzeit als klassische Sängerin erfolgreich zu werden.

In einer frühen Aufnahme von 1935 ist Gangubai Hangal noch mit jugendlicher, weiblich-heller Stimme zu hören - die charakteristisch tiefe, fast männlich wirkende Stimme, mit der sie große Karriere machte, entwickelte sie erst einige Jahre später nach einer Halsoperation. Nachdem sie sich zunächst mit Bhajans und Thumris versucht hatte, widmete sie sich schließlich ganz dem Khyal-Gesang und schaffte noch in den 1940er Jahren landesweit den Durchbruch mit Auftritten bei den großen Musikfestivals und bei All India Radio. Obwohl Gangubai Hangal international nur Kennern bekannt war und sie auch nur wenige Aufnahmen veröffentlichte, gehörte sie doch jahrzehntelang zu den ganz großen, angesehensten Künstlerinnen der indischen Raga-Tradition. 2002 wurde sie schließlich für ihr Lebenswerk mit dem Padma Vibhushan ausgezeichnet, dem zweithöchsten indischen Staatsorden.

1992 hatte ich die große Freude, Gangubai Hangal im Rahmen der indischen Festspiele in Deutschland live zu erleben. Ich war damals tief beeindruckt von ihrer kraftvoll-majestätischen und zugleich ganz gesammelt-verinnerlichten Bühnenpräsenz. Auf völlig natürliche Weise saß sie allein im Zentrum ihres Ensembles und des gesamten Geschehens und bündelte die Aufmerksamkeit hunderter Menschen auf ihre Raga-Darbietung. Nach diesem Erlebnis war ich völlig verblüfft, als ich sie später neben der Bühne in einer kleinen Gruppe stehen sah: Die charismatische Gestalt hatte sich in eine winzige alte Dame verwandelt, gegen die alle Umstehenden wie Hühnen wirkten und die in ihrer schlichten Bescheidenheit beinahe unterzugehen schien.

Ein fast 80-minütiger Konzert-Mitschnitt von Gangubai Hangal findet sich auf www.youtube.com - Sachinfos und Links zu zahlreichen detaillierteren Artikeln finden sich auf Wikipedia