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Total Immersion - Indiasphere Festival in Graz

Ein Indienerlebnis total gab es am 6.11. beim Indiasphere Festival 2010 im Volkshaus in Graz. Über 300 ZuschauerInnen erlebten anlässlich des Diwali-Festes ein hochklassiges, ambitioniertes, spannungsreiches, mitreißendes sechsstündiges Bühnenprogramm, das in seiner unkonventionellen Zusammenstellung absolut einzigartig sein dürfte.

Der Abend wurde eröffnet mit einem klassisch-nordindischen Raga-Konzert von Sarodist Partho Sarothy, auf Sitar assistiert von seinem Schüler Alokesh Chandra und an der Tabla begleitet von Ashis Paul . Kenner der Raga-Tradition mögen enttäuscht gewesen sein von der in gut 20 Minuten extrem komprimierten Interpretation von Simendra-Madhyam mit Alap, Jor, Jhala, langsamem und schnellem Gat, Sawal-Jawab und Schlussjhala, die gehetzt einen Formteil nach dem anderen abhakte ohne in die Tiefe zu gehen, gefolgt noch von einer Raga-Mala in Pilu. Aber das Publikum zeigte sich schon von Anfang an enorm begeisterungsfähig, fand offenkundig Gefallen an der technischen Virtuosität und fiebrigen Erregtheit der Darbietung und quittierte sie mit stürmischem Applaus.

Nach einer kurzen Tanzeinlage von Lokalmatadorin Smirti Kohli und ihrer Gruppe Mudra Masala gehörte die Bühne dann Indigo Masala mit ihrer Acoustic Asian World Fusion. Die raffinierten Eigenkompositionen des Trios mit Sitar, Tabla, russischem Knopfakkordeon, Gesang und Percussion sorgten für einen neuen Stimmungshöhepunkt: Mit eingängigen Grooves, abwechslungsreichen Arrangements und beeindruckenden Soli vor allem von Youngster Arun Leander trafen sie genau den Nerv des bunt gemischten Publikums. Als letztes Highlight vor der Pause schloss sich nahtlos die klassisch-indische Kathak-Tanz-Performance von Ioanna Srinivasan an, live begleitet von Indigo Masala. Sie begeisterte mit einer dichten Präsentation, brillanter Technik, Expressivität und Temperament.

Große Spannung dann nach der Pause: Auf dem Programm stand die Uraufführung des Projektes Grand Vizier's Chest von Denovaire und Stefan Fink. Zu hören gab es eine Suite aus OrientalJazz, Filmscore und Abenteuermusik mit 14-köpfigem Orchester. Mit Streichquartett, Flöte, Klarinette, Trompete, drei Percussionisten, Gitarre, Bass, Esraj, Gesang und Harmonium kreierte Grand Vizier's Chest unter Leitung von Wolfgang Hattinger eine fantastische Reise in ein exotisch-orientalisches Traumland - anspruchsvolles, großes, magisches Kino für die Ohren. Die Grazer Uraufführung war der erste Schritt hin zu einem abendfüllenden Programm mit Musik, Tanz und Videoprojektion - Grand Vizier's Chest ist ein Work in Progress, auf dessen weitere Arbeiten man äußerst gespannt sein darf!

Nach diesen erlesenen künstlerischen Delikatessen mündete der Abend in den Stimmungs- und Partyteil. Smriti Kohli, Manda Mahesh, Nitin Shrivastava, Five Continents und Djai BhanGraz heizten mächtig ein mit Bollydance, Bhangra, Indo-Pop und Bollybeats zum Mittanzen und Mitsingen. Ein buntes Volk aus aller Herren Länder feierte fröhlich ausgelassen Diwali, bis Indiasphere 2010 schließlich Punkt Mitternacht offiziell beendet wurde und im Foyer mit leuchtenden Gesichtern und herzlichen Abschiedsumarmungen ausklang.

Das große Diwali-Fest fand in dieser Form zum dritten Mal statt, und man muss dem Veranstalter, der Indisch-Österreichischen Gesellschaft für Kultur und Freizeit, Graz, e.V. mit ihrem Vorsitzenden Pawan Kohli ein Riesenkompliment für die innovative Arbeit machen. Während es andernorts oft noch kaum Berührung gibt zwischen indischer Hochkultur und Bollywoodshow, zwischen Migrantenkreisen und Alteingesessenen, gelingt es in Graz, die Menschen unter einem Dach zusammenzubringen und so eine breite Resonanz und wechselseitige Anregung zu schaffen. Vorbildlich auch die Einbindung politischer Prominenz - u.a. waren der indische Botschafter und österreichische Politiker aus Landtag und Stadt als Gäste dabei. Und geradezu visionär die Bemühungen, die Kulturarbeit über Graz hinaus hinaus auszudehnen. Auch wenn sich dieses Jahr noch nicht alle Pläne verwirklichen ließen, war Indiasphere zumindest schon eingebunden in zwei Workshops zu indischer Musik und ein Kooperationskonzert in Wien. So entstehen Synergieeffekte und Breitenwirkungen, die mittel- und langfristig Früchte tragen sollten. Bleibt zu hoffen, dass die Kräfte der ehrenamtlich Aktiven weiter tragen und in Zukunft von möglichst vielen Seiten hoch verdiente weitere Unterstützung erhalten.