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Shivkumar Sharma - Elder Statesman der indische Musik

Glückwünsche von Yogendra
(Januar 2013)

Mit seiner markanten, inzwischen weiß-grauen Afro-Frisur und seiner geschliffenen Eloquenz ist der Santurmeister Shivkumar Sharma heute einer der größten Popstars der indischen Klassik, gefeierter Virtuose und so etwas wie ihr Elder Statesman zugleich. Seine Raga-Performances bieten dem Kenner zwar kaum mehr Neues, bewegen sich aber nach wie vor auf höchstem künstlerischem Niveau und machen ihn zum gefragten Zuschauermagneten großer Festivals. Seine philosophierenden Statements in Interviews, Dokumentationen und Buchvorwörtern vermitteln einen Grad an Reflektiertheit, den man bei indischen Musikern nicht oft findet. Und Dank seines für indische Verhältnisse etwas exzentrischen aber stets auch eleganten Looks ist er ein dankbares Bildmotiv für Presse und Fernsehen. Sein Weg auf den Olymp der indischen Musik war allerdings bemerkenswert mühsam und ungewöhnlich.

Shivkumar Sharma wurde 1938 in Jammu als Sohn des klassischen Sängers Uma Dutt Sharma geboren und lernte von frühester Kindheit an von seinem Vater Gesang und Tabla. Von der Santur hatte zu dieser Zeit jenseits des Kaschmir-Tals in Indien niemand gehört; das Instrument war lokale Folklore. So staunte Shivkumar zunächst nicht schlecht, als sein Vater ihm nach reiflicher Überlegung nahelegte, die Santur zu seinem Hauptinstrument zu machen. Für die Interpretation klassischer Ragamusik erschien die Santur denkbar ungeeignet, denn sie kann eigentlich weder einen anhaltenden Ton produzieren noch gleitende Übergänge und mikrotonale Färbungen zwischen den Tönen. Dank neu entwickelter Spieltechniken gelang es Shivkumar aber, diese strukturellen Mängel zu überspielen: mit feinen Wirbeln der Schlägel verwischte er die einzelnen Anschläge und schuf den Eindruck anhaltender Töne und durch anschlagloses Gleitenlassen der Schlägel über die Saiten schuf er eine Suggestion fließender Tonübergänge. Durch Reduzierung der Saiten pro Ton von vier auf drei sorgte er für mehr Klarheit im Klang und durch Vergrößerung des Tonumfangs für erweiterte Ausdrucksmöglichkeiten. Mit rhythmischen Raffinessen und perlenden Klangkaskaden rückte er zudem geschickt die Stärken der Santur in den Vordergrund. Ab seinem ersten Konzert in Mumbai 1955 überwand er damit in jahrelanger Arbeit allmählich die Vorbehalte konservativer Kritiker.

Den Durchbruch schaffte Shivkumar Sharma 1967 mit "Call of the Valley", einer Gemeinschaftsproduktion mit Bansurispieler Hariprasad Chaurasia und Gitarrist Brij Bhushan Kabra und bis heute eine der erfolgreichsten Platten in der Geschichte der indischen Klassik. Hilfreich war anschließend möglicherweise auch die Zusammenarbeit mit Ravi Shankar, der ihn 1968, 1973 und 1974 auf Touren in die USA und nach Europa mitnahm und ihm dadurch zusätzliches internationales Renommee verschaffte. Eine Art Parallelkarriere erlebte Shivkumar Sharma schließlich in den 1980er Jahren im Duett mit Hariprasad Chaurasia unter dem Namen Shiv-Hari als Komponist für die indische Filmindustrie. Angefangen mit "Silsila" im Jahr 1981 schufen die beiden die Musik für mehrere Blockbuster des legendären Regisseurs und Produzenten Yash Chopra und wurden so auch einem Massenpublikum bekannt. 1993 beendete das Duo allerdings mit "Darr" die Arbeit für Bollywood, um sich wieder ganz auf die klassische Raga-Tradition zu konzentrieren. Deren spirituelle Tiefe bedeutete Shivkumar letztlich mehr als Geld und Glamour.

In seiner langen Karriere hat Shivkumar Sharma weit über 100 Platten veröffentlicht. Für sein Werk erhielt er 1986 den Sangeet Natak Akademi Award, 1991 den Padma Shri und 2001 den Padma Vibhushan, den zweithöchsten zivilen indischen Staatsorden. Einem seiner drei Söhne, Rahul, verhalf er ebenfalls zu einer erfolgreichen Laufbahn als Santurvirtuose. Seine Mission, die Santur als klassisches Soloinstrument zu etablieren, darf man als erfüllt betrachten. Am 13. Januar wurde Shivkumar 75. Happy Birthday, Shivji!