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Die Kunst der Begleitung - Tabla-Sangat mit Ashis Paul

Essay von Yogendra
(Juni 2010)

Mir ist, als hätte jemand ein Licht angeknipst. Der einführende meditative Alap hat sich harmonisch entfaltet, und jetzt habe ich die typische Auftaktphrase, Mukhra, für Gatkari, das Spiel mit Thema und Variation, im langsamen 16er-Zyklus Tintal gegeben – da erklingt glockenklar und mit rundem Bass haargenau auf der Eins der erste Schlag der Tabla. Mein Blick huscht kurz hinüber zu meinem Begleiter Ashis Paul, und ich sehe ein unglaubliches Strahlen auf seinem Gesicht, das auch in mir eine Freudenwelle hochschlagen lässt. Unwillkürlich zieht mir ein breites Grinsen über beide Backen während ich entspannt das melodische Thema halte, verspielte Schnörkel hineinflechte und Ashis mit einem geschmackvollen Einführungssolo den Tala etabliert. Seit 25 Jahren gebe ich Raga-Konzerte, habe mit den verschiedensten Tablabegleitern auf den verschiedensten Bühnen gespielt – aber jetzt ist etwas anders: Ich fühle mich getragen wie nie zuvor und kann das Zusammenspiel einfach nur genießen.

Ashis Paul ist mit jetzt 36 Jahren zwar noch relativ unbekannt, spielt aber in Indien regelmäßig mit etlichen Top-Instrumentalisten seiner Generation und war auch schon in den USA, Europa, Japan und Südafrika zu hören. Seine größte Stärke ist wohl die sensible Begleitung gezupfter Saiteninstrumente wie Sitar oder Sarod. Ganz im Sinne seines berühmten Lehrers Anindo Chatterjee empfindet er mit wachen Ohren jede melodische Bewegung mit, nimmt sie feinfühlig in die Gestaltung des Theka-Grundrhythmus auf, antwortet stilsicher und intelligent in seinen Soli und bereichert den Fluss der Musik mit eigenen Ideen, die ich meinerseits aufnehmen und weiterspinnen kann. Dabei drängt sich Ashis nie in den Vordergrund oder droht gar, dominant zu werden. Ein Begleiter wie man ihn sich als Melodiesolist nur wünschen kann – immer präsent, immer unterstützend, und immer mit einem strahlenden Funkeln in den Augen.

Die wunderbare Harmonie zwischen Ashis und mir dürfte aber auch ein Verdienst von Partha Chatterjee sein, meinem Freund und Lehrer aus Kalkutta, in dessen Haus ich Ashis kennengelernt habe. Partha hat nicht nur mein Verständnis der Raga-Musik entscheidend geprägt, sondern auch Ashis jahrelang in der Kunst der Begleitung unterwiesen. Sangat heißt diese Kunst, und sie hat vordergründig damit zu tun, möglichst viele typische Phrasen und Wendungen der Melodiesolisten möglichst genau zu kennen und passend auf der Tabla darauf reagieren zu können. Sangat verlangt aber auch die Fähigkeit, kommende Wendungen intuitiv vorauszuahnen, kreativ aus dem Moment heraus neue Ideen entstehen zu lassen, offen zu sein für Überraschungen und bei allem immer den großen Bogen der Musik mit im Sinn zu haben. Es geht nicht nur um ein Wissen und Können, sondern auch um eine bestimmte innere Haltung. Wenn Sangat gelingt, denn entsteht ein offener, lebendiger und inspirierender Dialog, dessen harmonischer Zusammenklang eine ungemein beglückende Wirkung für die Musiker entfalten kann. Und wer als Zuhörer live mit dabei ist, kann vielleicht etwas von diesem intensiven Glücksgefühl mitempfinden. Darum geht es letztlich bei der Raga-Musik: Ananda – Glückseligkeit.


Ein in sechs internetgerechte Schnipsel zerlegter Video-Livemitschnitt von Yogendra und Ashis Paul ist auf YouTube zu sehen – hier eine Übersicht der Clips: www.youtube.com